Ein Sarg für zwei
Außerdem würde die ganze Sache ohnehin nicht lange dauern.
Er packte
mich an der Schulter. »Hiergeblieben, du böser kleiner Drache! Wo willst du
hin?« Als ich es ihm erzählte, riss er erstaunt die Augen auf. »Und du willst
einfach so dahingehen? Ohne Thierry wenigstens Bescheid zu sagen?« Sein Blick
zuckte zu meinem Hals und dann hinunter zu meiner halb zerrissenen Bluse und
dem schwarzen BH, der darunter hervorlugte. »Sieh dich doch an, du siehst aus
wie eine Nutte aus der Rocky Horror Picture Show.«
»Ich will,
dass dieser Fluch aufgehoben wird, und das werde ich jetzt schaffen. Du kannst
mitkommen, wenn du willst. Es wird nicht lange dauern.«
Ich hörte
Schritte. Jemand kam den Flur hinunter, vielleicht, um auf die Toilette zu
gehen, oder vielleicht auch, um nach mir zu sehen. Ich packte Georges Arm und
zog ihn mit mir zum Hinterausgang, öffnete die Tür und ließ sie hinter uns
zufallen.
»Du hast
nicht mal meine Antwort abgewartet«, sagte er und rieb sich den Arm. »Verdammt,
du wirst langsam ein bisschen aufdringlich, was?«
Alles, was
passiert war, schwappte in einer plötzlichen Gefühlswelle über mich, und meine
Unterlippe begann zu beben. »Es tut mir leid, George. Es tut mir alles so
leid.«
»He, nicht
weinen. Alles wird gut.«
»Das sagen
alle. Aber ... aber das wird es nicht. Nicht wenn ich mich nicht mit Stacy
treffe und mich bei ihr entschuldige. Und selbst dann...« Ich schluckte heftig.
»Ich weiß nicht. Gerade wo mit Thierry alles richtig gut läuft, muss so etwas
passieren. Wenn wir uns anfassen, wollen wir uns gegenseitig beißen, und die
blöde Veronique will der Annullierung nicht zustimmen. Bei mir scheint nie
etwas glattzulaufen.«
Er legte den
Arm um mich und drückte mich. »Bei dir läuft nie etwas glatt? Nun, schließlich
hast du mich getroffen, oder etwa nicht? Nach diesem Hauptgewinn hielt das
Schicksal es offenbar für angemessen, dir ein paar härtere Aufgaben zu
stellen.«
Damit
entlockte er mir ein schwaches Lächeln. »Klar. Wieso bin ich denn darauf nicht
gekommen? Das muss es sein.«
»Und wie
schlimm ist dein Leben denn eigentlich? Du bist hinreißend. Du kennst tolle
Leute, an erster Stelle natürlich mich. Deine Reißzähne sind eindeutig die
niedlichsten, die ich jemals gesehen habe, und da ich sie im biblischen Sinne
kenne, darf ich das wohl in aller Offenheit sagen. Und obwohl er überaus
launisch ist, hast du einen Freund, der mehr als verrückt nach dir ist.«
Ich
blinzelte. »Meinst du wirklich?«
»Verrückt.
Total. Du hast offensichtlich ein Talent, die Leute verrückt zu machen, Sarah.
Das ist ein Geschenk. Du solltest das nicht leugnen.«
Ich lachte.
»Na, großartig.«
Er nickte.
»Gehen wir. Mir wird schlecht, wenn wir noch mehr so nettes Zeug und kein
einziges sarkastisches Wort von uns geben. Das ist irgendwie so unnatürlich.«
Also gingen
wir.
Ein Park am
Abend. Eine missgünstige Hexe. Eine verzweifelte, nach Blut dürstende,
verfluchte Vampirin und ihr absolut sarkastischer, nikotinsüchtiger Kumpel.
Was kann
schöner sein?
INTERMEZZO
London, England - 1811
Thierry
wusste, dass es eine Falle war, dennoch ging er hin. Er hatte keine andere
Wahl.
Er hielt
sich versteckt und beobachtete.
Ein
Nachtwandler hatte es geschafft, Veronique mit romantischen Versprechungen zu
einem verlassenen Haus in Londons East End zu locken. Obwohl Thierry wusste,
dass seine Frau eine Schwäche für attraktive Männer hatte, wenn sie ihr nur ein
bisschen Aufmerksamkeit widmeten, überraschte es ihn, dass sie tatsächlich so
naiv gewesen war, sich zu den Hafenanlagen locken zu lassen. Es war eine extrem
heruntergekommene und widerliche Gegend.
Der
fragliche Nachtwandler war äußerlich allerdings nicht als solcher zu erkennen.
Obwohl er nie tagsüber ausging, schien er tatsächlich ziemlich normal zu sein.
Auf den ersten Blick war er ein attraktiver, gut gekleideter Privatier.
Ein
Nachtwandler, der eine Menge Frauen umgebracht hatte, und zwar allesamt
Vampire. Er war ein willfähriges Werkzeug der Jäger, die Nachtwandler als
Geheimwaffen testeten. Thierry wusste als Einziger davon. Er wusste auch, dass
die Jäger kürzlich zu dem Schluss gekommen waren, dass das eine ziemlich
schlechte Idee war.
Denn man
konnte Nachtwandler nicht kontrollieren. Einem von ihnen zu vertrauen, war ein
fast immer tödlicher Fehler.
Thierry
wusste auch, dass das baufällige Gebäude, in dem Veronique gefangen gehalten
wurde, ebenfalls von drei Jägern
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