Ein Sarg für zwei
hilfreich erscheint - und davon gehe ich aus -,
bist du erst kürzlich mit einem solchen Artefakt in Berührung gekommen. Das
zeigt, wie viel Glück du hast.«
Ich
blinzelte verwirrt. »Ernsthaft? Was für ein Artefakt war das denn?«
Er
schüttelte den Kopf. »Was kümmert es dich? Du willst doch die Hexe bei der
erstbesten Gelegenheit dazu bringen, den Fluch zu brechen.«
»Ja, aber
ich bin immer für einen Plan B zu haben.«
»Sarah!«,
rief Thierry von der anderen Straßenseite.
Oh, Mist!
Bevor er
verschwinden konnte, erwischte ich einen Zipfel des Ledermantels vom Roten
Teufel. »Du musst mir verraten, welchen Gegenstand du meinst.«
Ich war ihm
jetzt nahe genug, um etwas zu riechen, was ich niemals erwartet hätte. Damit
hatte ich überhaupt nicht gerechnet, aber es bestand kein Zweifel.
Während ich
mit meiner Nase prüfend seinen Hals hinauffuhr und sofort Hunger bekam, riss
ich vor Staunen die Augen auf. »Du bist ein Mensch!«
»Das bin ich
nicht.«
»Doch, das
bist du! Der Rote Teufel ist kein Mensch. Er ist ein Vampir.«
»Du irrst
dich.« Er riss sich von mir los und kniff die Augen zusammen.
»Wer zum
Teufel bist du?« Ich griff nach seinem Schal, doch er schlug grob meine Hand
weg.
»Fass mich
nicht an«, knurrte er. Dann drehte er sich um und lief eilig aus dem Park.
»Sarah, bist
du in Ordnung?«, fragte Thierry, als er bei mir ankam. Seine Stimme klang
belegt vor Sorge. Er beobachtete, wie der Rote Teufel in der Dunkelheit
verschwand.
»Mir geht es
gut.«
Nur stimmte
das nicht. Nicht im Entferntesten.
Ich runzelte
so fest die Stirn, dass mir der Kopf wehtat. Was zum Teufel ging hier
eigentlich vor?
INTERMEZZO
San Diego, Kalifornien, 1903
»Wo ist
deine Frau?«
Thierry
blickte von dem Tagebuch des Roten Teufels auf, in das er sich Notizen über den
Einsatz machte, den er gerade beendet hatte. Elisabeth, die Frau seines
Freundes Nicolai, stand im Eingang zu seinem Zimmer in der kleinen Gaststätte,
die sie derzeit ihr Zuhause nannten, und beobachtete ihn.
»Veronique
ist nach Paris zurückgefahren«, erklärte Thierry.
»Nicolai ist in New York. Mein Gott. Was sollen wir nur mit
der ganzen Zeit anfangen?« Sie lächelte ihn an und fuhr anzüglich mit der Hand
ihren Körper hinunter.
Elisabeth
war eine wunderschöne Frau. Sie hatte blonde Haare, rote Lippen und eine Haut
wie ein Pfirsich. Als Mensch war sie eine Schauspielerin gewesen, die es an
Talent und Ruhm mit der großen Sarah Bernhardt aufnehmen konnte. Aus aller Welt
waren die Menschen in ihre Vorstellungen geströmt, und die Männer hatten sie
mit Geschenken und Treueschwüren überhäuft.
Das alles
hatte ihr auch Nicolai bieten können, zusätzlich aber die Unsterblichkeit.
Sein Freund
war von der bezaubernden Schauspielerin, die eingewilligt hatte, ihn zu
heiraten, komplett hingerissen gewesen und hatte sie sofort zum Vampir gezeugt.
Nicolai war von ihr besessen, war ihr treu, liebte Elisabeth aufrichtig und
glaubte, es ginge ihr genauso.
Elisabeth
war eine hervorragende Schauspielerin.
In dieser
Nacht war sie nur sehr spärlich bekleidet. Sie zeigte so viel nackte Haut, dass
eine sittsamere Frau sich zweifellos zu Tode geschämt hätte. Doch Elisabeth war
nicht sittsam. Sie wusste, was sie wollte, und kannte keine Scham, wenn es
darum ging, ihre Ziele zu verfolgen.
Und im
Moment wollte sie Thierry.
Bei dem
Gedanken war ihm gar nicht wohl.
Seine Ehe
mit Veronique war durchaus erträglich. Sie blieb über längere Zeiträume hinweg
in Europa, tauchte zu kurzen Besuchen in der Neuen Welt auf, erwartete, dass Thierry
sehnsüchtig vor ihr auf die Knie fiel, und war genervt, wenn er es nicht tat.
Sie war
kürzlich abgereist und hatte angedroht, nicht mehr wiederzukommen. Dieser Szene
war ein unerfreuliches Gespräch vorausgegangen, in dem Veronique ihm
vorgeworfen hatte, sich vor der Welt zu verstecken und nicht ausreichend am
Leben teilzunehmen. Genau darin bestand jedoch seit einigen Jahrhunderten seine
Tarnung. Niemand hätte vermutet, dass ein attraktiver, aber leidenschaftsloser
Adeliger der Rote Teufel war, dessen Ruf noch beeindruckender geworden war,
seit Marcellus nicht mehr hinter der Maske steckte.
Doch so sehr
er auch schuftete, so viele Vampire er auch rettete, er schien das
Unvermeidliche nicht aufhalten zu können. Er hatte gehofft, dass die
Mordgelüste der Jäger gestillt waren, wenn er ihnen half, die Nachtwandler
abzuschlachten. Doch jetzt, wo es keine Nachtwandler mehr gab, töteten sie
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