Ein Sarg für zwei
mach dir keine Sorgen.«
Ich
blinzelte und merkte, wie mir die Tränen kamen. »Du denkst doch nicht mehr
daran, oder? Du hast doch nicht etwa irgendwelche neuen Brücken ausfindig
gemacht, von denen du dich stürzen könntest? Ich weiß nämlich wirklich nicht,
was ich ohne dich machen würde.«
Er
schüttelte den Kopf und wischte mir sanft ein paar Tränen weg. »Ich habe in
letzter Zeit überhaupt nicht mehr daran gedacht, mir das Leben zu nehmen.
Neuerdings freue ich mich wieder, jeden Morgen aufzuwachen. Du hast nichts zu
befürchten.«
»Man hat
nichts zu fürchten außer der Angst selbst.«
Er legte den
Kopf auf die Seite und lächelte. »Ach, es gibt so vieles, vor dem man sich
fürchten muss, Sarah. Ich glaube nicht, dass du mich auffordern solltest, eine
Liste anzufertigen. Wenigstens mein Selbstmord steht nicht mehr länger auf
dieser Liste.«
»Das freut
mich.« Ich blinzelte und legte meine Hand auf seine Wange. »Ich würde dich
jetzt so gern küssen.«
»Das wäre
ein Fehler.« Er rührte sich nicht von der Stelle.
»Ich weiß.
Aber ich will es trotzdem.«
Er fuhr mit
den Fingern über meine Lippen und nahm meine Hand in seine. Er führte sie an
seinen Mund und küsste sie.
»Das ist ein
netter Anfang«, flüsterte ich.
»Okay,
Schluss!«, tönte George hinter Thierry. Er klatschte in die Hände. »Setz dich
in Bewegung, Sarah. Hopp, hopp.«
Thierry sah
mich weiterhin an. »Ich habe George gebeten, auf dich aufzupassen. Für genau
diesen Notfall.«
»Ihr zwei
seid zu nah beieinander, das ist nicht gut!«, fuhr George fort. »Ich möchte
etwas Abstand sehen. Rückzug, Chef. Gib unserem kleinen Nachtwandler ein
bisschen Raum!«
»Es ist
okay, George. Wirklich. Ich fühle mich...« Ich blinzelte. Wie fühlte ich mich
eigentlich?
Ein bisschen
kalt und feucht.
»Ist alles
in Ordnung?«, fragte Thierry.
Ich legte
die Hände auf mein Gesicht. Es fühlte sich fast ganz normal an. Aber
irgendetwas war merkwürdig, nur konnte ich es nicht genau bestimmen.
Ich holte
Luft. Das fühlte sich auch normal an.
Dann
schnappte ich nach Luft. »Mein Herz.«
»Was ist
damit?«
Ich fasste
seine Hand und drückte sie an meine Brust.
»He, was
habe ich gesagt? Nicht so nah zusammen«, protestierte George. »Muss ich euch
zwei kleine freche Äffchen etwa handgreiflich auseinanderbringen?«
Thierry
runzelte heftig die Stirn und sah mir in die Augen, sagte jedoch nichts.
»Ich habe
keinen Herzschlag«, sagte ich. »Was zum Teufel geht hier vor?«
Thierry
nickte nachdenklich. »Der fehlende Puls ist eine weitere Eigenschaft der
Nachtwandler.«
»Ein
fehlender Puls? Aber das heißt ja, dass ... dass die Nachtwandler...«
»Untote
sind.«
»Und normale
Vampire sind das Gegenteil.«
»Ja.«
Ich sprang
auf, drängte mich an George vorbei, der mich mit weit aufgerissenen Augen
anstarrte, und lief aus dem Büro. Verdammt.
Als ich
spürte, wie mein Herz wieder zu schlagen begann, blieb ich wie angewurzelt
stehen.
Einmal.
Dann wieder
nichts.
»O mein Gott«,
sagte ich laut und wurde erneut von Panik ergriffen.
Außer uns
dreien war momentan niemand im Haven. Die Stühle standen auf den Tischen, die
Lampen waren ausgeschaltet. Ich stand in der Mitte auf dem gefliesten Boden,
der an einen Whirlpool in Blau und Lila erinnerte, und hatte das Gefühl, in
einem Strudel der Verzweiflung zu versinken, ohne Übertreibung. Es war schlimm.
Sehr schlimm. Ich hatte keinen Herzschlag. Mein Herz schlug nicht mehr. Das war einfach nicht gut, daran änderte auch mein sprichwörtlicher Optimismus
nichts. Das halbleere Glas war nicht halb voll, es war staubtrocken!
»Okay«,
sagte ich und bemerkte, dass George und Thierry mir in den Club gefolgt waren.
»Okay. Ich werde nicht ausflippen. Uns bleibt immer noch genug Zeit, das alles
wieder in Ordnung zu bringen.«
»Wieso sagst
du das, uns bleibt genug Zeit?«, wollte Thierry wissen. »Natürlich ist noch
Zeit.«
Ich
schüttelte den Kopf. »Stacy hat gesagt, wenn der Fluch nicht, drei Tage nachdem
er ausgesprochen wurde, aufgehoben wird, bleibt er für immer an mir haften.
Aber es ist jetzt erst früh am Morgen. Wir haben noch fast zwei Tage, um die
Sache in den Griff zu bekommen. Ich muss nur überlegen, was als Nächstes zu tun
ist, insbesondere weil ich nicht nach draußen gehen kann. Es ist nicht zufällig
bewölkt, oder? Natürlich nicht. Bei meinem Glück haben wir wahrscheinlich den
sonnigsten Tag des Jahres.«
George und
Thierry wechselten einen bestürzten
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