Ein schicksalhafter Sommer
sie zurück.
„Katrin?“, hörte sie eine ängstliche Stimme.
„Otto! Mir ist fast das Herz stehengeblieben.“ Katrin fasste sich an die Brust. „Was schleichst du denn hier herum?“
„Irgendjemand hat Krach gemacht. Der Lärm hat mich geweckt.“
Katrin rang immer noch nach Fassung. „Das war ich. Ich war auf dem Klo und hab die Tür zu laut zugemacht.“
„Und auf der Treppe hast du auch gepoltert“, gähnte Otto anklagend, während er wieder in sein Zimmer schlurfte.
Katrin sah ihm nach, dann ging sie zur Hintertür und sperrte sie ab. Erst jetzt fiel ihr ein, dass der Fremde ja gar nicht vom Innenhof zur Hintertür hätte gelangen können. Außer, er wäre durch die Hintertüren in Stall oder Scheune um den kompletten Hof gelaufen. Katrin rieb sich erschöpft die Augen und schickte sich an, eine Lampe zu holen, um endlich Licht zu machen, als sie sah, dass der Flur sich erhellte. „Otto, was machst du?“
„Ich hab mir eine Kerze geholt. Ich muss mal.“
„Aber doch nicht ausgerechnet jetzt.“
„Du bist schuld, weil du mich aufgeweckt hast.“
„Das geht jetzt nicht.“
Schlaftrunken blinzelte Otto seine Schwester an. „Ich muss aber mal!“ Damit ging er weiter zur Türe.
Katrin setzte ihm nach. „Otto, du gehst jetzt auf gar keinen Fall nach draußen.“ Sie fasste ihn an den Schultern und schob ihn wieder in sein Zimmer.
„Ich mach in die Hose, wenn ich jetzt nicht geh“, jammerte er.
„Dann mach eben in einen Eimer!“ Katrin nahm die Kerze, holte schnell aus der Waschküche einen Eimer und stellte ihn vor Otto auf den Boden.
„Die Mama haut mir den Hintern, wenn ich in den Eimer mach.“
„Otto.“ Katrin warf einen nervösen Blick zur Treppe. Sie hatte den Hof jetzt schon eine Ewigkeit aus den Augen gelassen. Aber wenn sie jetzt hochging, würde Otto nachher doch noch rausrennen. „Wir verraten es Mama gar nicht. Ich mach den Eimer nachher sauber. Jetzt bitte, Otto“, flehte sie.
„Ich verstehe nicht, warum ich nicht aufs Klo darf. Wenn ich im Winter in den Eimer machen will, dann darf ich nur, wenn es bitterkalt ist.“
„Das erklär ich dir später. Jetzt mach, dann darfst du auch mitten in der Nacht mit in mein Zimmer und ich erzähl dir eine Geschichte, einverstanden?“
„Wirklich?“
Katrin nickte. Das überzeugte ihn endlich und nachdem er sein Geschäft verrichtet hatte, konnte Katrin endlich gemeinsam mit Otto ihren Beobachtungsposten am Fenster wieder beziehen.
Im Dunkeln beobachtete sie den Hof, während sie Otto ein Märchen erzählte. Es dauerte nicht lange und er war in Katrins Bett wieder eingeschlafen.
Der Hof sah trügerisch friedlich aus. Ab und an wurde er vom Mondlicht erhellt, doch die meiste Zeit starrte Katrin einfach nur in die Finsternis. Wenn sie doch nur wüsste, was mit Robert war. Bestimmt würde er bemerken, wenn jemand in seine Unterkunft kommen würde, versuchte sie sich zu trösten. Und dann würde er sich auch sicher gegen diesen Mann verteidigen können. Er hatte in etwa die gleiche Statur wie er. Mit solchen Gedanken versuchte sich Katrin immer wieder selbst Mut zuzusprechen, während die Nacht sich endlos dahin zog.
Sie lauschte auf jedes Geräusch und behielt abwechselnd die Unterkunft und die Haustüre im Auge, falls der Fremde sich nähern sollte. Jedes Mal, wenn Otto sich im Schlaf regte, zuckte sie vor Schreck zusammen.
Als schließlich ihr Wecker klingelte, atmete Katrin erleichtert auf. Es wurde Morgen. Bald war diese schreckliche Nacht zu Ende. Es war Zeit zum Melken. Sie hatte den Fremden nicht mehr gesehen. Entweder er war schon verschwunden, als sie vorhin unten auf Otto getroffen war, oder er musste immer noch hier sein. Vielleicht wartete er ja im Stall auf sie. Katrin schauderte. „Tut mir Leid, Melli“, dachte sie laut, „aber du musst warten, bis es hell ist.“
Sie öffnete das Fenster. Bald müsste Robert rüber in den Stall gehen, um auszumisten und das Vieh zu füttern. Dann würde sie ihm eine Warnung zurufen.
Oh, lieber Gott, betete sie, lass ihm nichts passiert sein.
Robert erwachte mit Kopfschmerzen. Müde schlug er die Decke zurück und stand steifbeinig auf. Er machte seine Laterne an und sah auf die Uhr. Es war Zeit, sich fertig zu machen. Er blinzelte und versuchte, die bleierne Müdigkeit abzuschütteln.
Er hatte wieder schlecht geträumt und fühlte sich gerädert. Das lag bestimmt am Vollmond, da schlief er immer schlecht. Nachdem er sich gewaschen und rasiert hatte, fühlte er
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