Ein schicksalhafter Sommer
merkte er, was er gesagt hatte und drehte sich erschrocken zu ihr um. „Entschuldigung, das wollte ich nicht sagen. Ich wollte Ihren Schwager keinesfalls beleidigen.“
„Schon gut, ich mag ihn ja selbst nicht“, beruhigte sie ihn. „Was war denn geschehen?“
„Eigentlich nichts.“ Er drehte ihr wieder den Rücken zu und nahm seine Arbeit wieder auf. „Er ist so schnell in den Hof gefahren gekommen, dass ich gerade noch zur Seite springen konnte und dann schnauzt der mich an, dass es meine Schuld wäre. Außerdem ist er ein überheblicher Fatzke.“ Das letzte Wort wurde mit einem Hammerschlag unterstrichen.
„Ja, das ist er wirklich“, seufzte Katrin. „Ich ärgere mich jedes Mal, wenn ich ihn sehe. Weil ich weiß, dass er uns verachtet. Wegen mir wäre es mir ja noch egal, aber die arme Mama ist so stolz auf ihren vornehmen Schwiegersohn, und wenn ich dann daran denke, dass er insgeheim die Nase über sie rümpft “, Katrin schüttelte geistesabwesend den Kopf, „das macht mich so wütend.“
Robert hatte aufgehört zu hämmern und hörte ihr zu. „Jetzt halt ich dich schon wieder von der Arbeit ab.“ Verlegen sah sie sich nach Otto um, der im Unterholz verschwunden war. Über solche Sachen sollte sie wirklich nicht mit einem Knecht reden. „Ich glaub, ich hab Otto vertrieben. Kann ich dir vielleicht helfen?“
Auch Robert schien zu dem Schluss gekommen zu sein, dass Otto das Weite gesucht hatte. „Wenn Sie wollen. Sie können mir die Bretter angeben, wenn ich das Dach mache. Dann brauch ich nicht immer auf und ab zu steigen.“
Eine Zeitlang arbeiteten sie still, bis Robert schließlich das Schweigen brach. „Sind die beiden schon lange verheiratet?“
„Wer? Ach so, Sofia. Nein, erst seit dem Frühjahr. Sie haben ihre Hochzeit bei uns auf dem Hof gefeiert. Mama und Papa waren so glücklich, dass Sofia in eine so vornehme Familie eingeheiratet hat.“ Gedankenversunken dachte Katrin an diese sorgenfreie Zeit zurück. War das wirklich erst ein paar Monate her? „Tja, und kurz darauf ist Papa zusammengebrochen.“
„Eine gute Partie ist er also, ja?“ , brummte Robert.
„Ja, die Winters hatten immer schon Geld. Und Sofia hat mir erzählt, dass sie kürzlich auch noch geerbt haben. Seitdem ist Georg noch unausstehlicher geworden.“ Katrin hielt inne und reichte ihm ein neues Brett. „Jedenfalls haben die sich in ihrem Leben für ihr Geld noch nicht krumm gearbeitet.“
„Aber mit deiner Schwester verstehst du dich doch, oder?“
„Oh, ja, natürlich. Sofia ist eigentlich lieb und nett. Sie hat nur schon immer nach Höherem gestrebt. Und manchmal hab ich den Eindruck, für ihr Leben in Wohlstand nimmt sie allzu viel in Kauf. Allein wie Georg sie behandelt.“
„Deine Schwester erweckt bei mir nicht den Eindruck, dass sie sich schlecht behandeln lässt.“ Robert langte mit der Hand nach unten und wartete, dass ihm das nächste Brett gereicht wurde.
„Oh, er schlägt sie nicht oder so etwas.“ Katrin suchte in dem Bretterhaufen nach einem Brett, welches ihr passend schien. „Aber er lässt sie jeden Tag wissen, dass sie nicht gut genug für ihn ist. Und Sofia arbeitet unermüdlich daran, seinen hohen Ansprüchen zu genügen.“ Sie gab ihm das Brett an.
„Und du meinst, das ist die Mühe nicht wert?“ , fragte er sie interessiert.
„Abgesehen davon, dass ich nicht glaube, dass Georg Sofia jemals als ebenbürtig anerkennen wird, egal wie sehr sie sich bemüht, bin ich der Meinung, dass man so gemocht werden sollte, wie man ist, oder?“
Er beugte sich von seiner Position auf dem Dach zu ihr hinunter. „Ja, das sollte man.“
„Meine Güte“, sagte sie atemlos, während sie seinen nachdenklichen Blick erwiderte, „ich kann nicht glauben, über was für Dinge ich hier mit dir rede.“ Sie lachte gezwungen.
Sein Gesicht versteinerte. „Ich hab Sie nicht hergebeten, Fräulein.“
„Nein, so wie es geklungen hat, war es nicht gemeint“, seufzte sie . „Ich wundere mich nur, dass ich mich mit dir über so etwas unterhalten kann. Normalerweise erzähle ich nicht einfach drauflos.“
Anscheinend besänftigt, nahm er die Nägel entgegen. „Reichen Sie mir auch noch ein Brett, bitte.“
„Du brauchst mich jetzt nicht plötzlich wieder zu siezen. Das hast du nämlich die ganze Zeit schon nicht mehr getan.“
„Entschuldigung. Das war mir nicht bewusst“, sagte er steif.
„Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Wenn es mich gestört hätte, hätte ich dich
Weitere Kostenlose Bücher