Ein schicksalhafter Sommer
betont fröhlich fort, „du stellst aber heute eine Menge Fragen.“
„Die du nicht beantworten willst“, erwiderte sie enttäuscht.
Er dachte schon, sie ließe die Sache auf sich beruhen, doch dann setzte sie leise hinzu: „Warum willst du mir so gar nichts von dir erzählen?“
„Katrin, das ist doch Unsinn!“ Gereizt ließ er ihre Hand los.
„Nein, ist es nicht“, beharrte sie. „Du willst mir ja noch nicht einmal sagen, wo du herkommst.“
Er rieb sich nervös über den Kiefer und sah in die Ferne. Er konnte sich ja schlecht weigern, eine so harmlose Frage zu beantworten. „Ich komme aus einem Dorf in der Nähe von Wuppertal.“
„Und was hat dich hierher verschlagen?“
Jetzt, wo er einmal geantwortet hat, ließ sie nicht mehr locker. Das hatte er von vornherein gewusst, verdammt. „Zu Hause hielt mich nichts mehr. Arbeit hatte ich auch nicht. Also war ich froh, aus dem Kaff verschwinden zu können. Ich hab meine Sachen gepackt und bin auf und davon. Die Gegend hier hat mir gefallen, so bin ich hier gelandet“, ratterte er seine Geschichte herunter.
„Aber hattest du nicht damals erzählt, du kämst aus dem Süden?“
„Ja“, seufzte er angespannt, „da war ich zuerst, aber da gab es keine Arbeit. Also bin ich auf dem Rhein entlang gefahren und als das Schiff hier in der Gegend angelegt hat, bin ich an Land gegangen. Bist du jetzt zufrieden?“
„Ich fall dir auf die Nerven, das zu erkennen ist nicht schwer“, sagte Katrin ruhig. „Ich glaub, du lässt dir lieber einen Zahn ziehen, als etwas über deine Vergangenheit preiszugeben.“ Sie legte den Kopf zur Seite und sah ihn nachdenklich an. „Also gut. Ich bin zufrieden“, antwortete sie schließlich. „Fürs Erste“. Dann wechselte sie das Thema. „Wie Otto sich über die Süßigkeiten gefreut hat.“
Erleichtert antwortete er. „Ha, das war vielleicht ein Stalp, bis wir einen Stand gefunden hatten, der Süßwaren verkaufte. Es gab alles, was du dir vorstellen kannst. Aus vollem Halse haben die meisten ihre Waren angepriesen. Aber nach Süßigkeiten, da konnte man sich die Hacken ablaufen. Dein Vater wäre vor Freude beinahe zusammengebrochen, als wir den Stand endlich gefunden hatten.“
„Ha, ha!“, sagte sie. „Das kann ich mir lebhaft vorstellen, wie Vater sich gefreut hat. Wahrscheinlich hat er den Zuckerwarenverkäufer zur Schnecke gemacht, weil er wertvolle Zeit damit verschwenden musste, etwas Süßes zu kaufen. War Papa zufrieden damit, wie es in Düsseldorf gelaufen ist? Ihr habt ja praktisch gar nichts erzählt heute.“
Gestern Abend waren sie spät wiedergekommen. Und heute Morgen hatte der alte Nessel Otto das Tütchen überreicht, hatte gemurmelt, er wäre ganz zufrieden und hatte dann kein Wort mehr über den Markt verloren. Als Katrins Mutter nachhaken wollte, hatte ihr Mann gemurrt, es gäbe nichts zu erzählen und er müsse sich jetzt auf die Arbeit konzentrieren. Kein Wunder, dass sie neugierig war. „Also, wir sind beinahe alles losgeworden, das hast du ja gesehen.“ Er überlegte, was sie noch interessieren könnte. „Mit den Preisen, die wir erzielt haben, schien dein Vater einverstanden zu sein. Das Saatgut haben wir zu einem guten Preis bekommen und dann hat er noch einige Sachen für den Hof gekauft. Neues Werkzeug und so etwas. Ich hatte den Eindruck, dein Vater war ganz zufrieden.“
„Dann bin ich ja beruhigt. Aber warum erzählt er uns dann nichts?“
„Was weiß ich? Dein Vater redet ja nie viel, oder?“
„Ja, am liebsten hat er seine Ruhe.“ Bedrückt hakte sie sich bei ihm unter. Dann hellte sich ihr Gesicht wieder auf. „Gab es viele schöne Dinge dort? Kleider oder Tücher oder so etwas?“
„Du bist auch noch nie in der Stadt gewesen, oder?“
„Nein, ich bin noch nie weiter als bis zur nächsten Ortschaft gekommen. Obwohl wir seit letztem Jahr eine Eisenbahnverbindung nach Krefeld haben, wusstest du das?“
Nein, das hatte er nicht gewusst. „Dann wird es Zeit, dass wir mal in die Stadt fahren“, schlug er übermütig vor.
„Meinst du das ernst, Robert?“
„Sicher, warum denn nicht? Dann kannst du selber sehen, was es für schöne Sachen gibt.“ Nachdenklich schwiegen sie und Robert überlegte, wie er ihr das Geschenk überreichen sollte, das er von dem Geld gekauft hatte, das Nessel ihm am Markttag gegeben hatte. Nervös versuchte er, Mut zu fassen. „Ich hab dir was mitgebracht“, platzte er schließlich heraus. Katrin beobachtete gespannt, wie er in
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