Ein schicksalhafter Sommer
seine Tasche griff und einen in Zeitungspapier gewickelten kleinen Gegenstand herausholte. „Hier bitte.“ Unbeholfen hielt er ihr sein Geschenk entgegen. „Hoffentlich gefällt es dir“, sagte er verlegen.
„Danke.“ Katrin sah in sein gerötetes Gesicht und wickelte vorsichtig das Papier ab.
„Oh, Robert.“ Gerührt sah sie die Porzellanfigur an. Es war ein Mädchen mit langen dunklen Haaren in einem hellen Kleid. Vorsichtig strich sie mit ihren Fingern über die Figur. „Sie ist wunderschön.“ Glücklich sah sie ihn an.
Erleichtert, dass ihr das Geschenk gefiel, atmete er auf. „Sie hat mich an dich erinnert“, sagte er, nur um sich gleich darauf am liebsten die Zunge abzubeißen. Was faselte er da bloß? Nachher hielt sie ihn noch für einen Waschlappen. Doch sie lachte ihn nicht aus.
„Nein, so hübsch bin ich nicht.“ Lächelnd sah sie wieder auf das Mädchen hinunter.
„Doch, das bist du.“ Robert drehte nachdenklich eine Haarsträhne von ihr zwischen seinen Fingern. „Komm jetzt, Katrin, wir müssen langsam zurück.
Arm in Arm gingen sie nach Hause, als Robert sich plötzlich losmachte und einen Schritt von ihr zurückwich.
„Was hast du denn?“, fragte Katrin verwundert.
„Sieh mal, wer da kommt.“ Mit dem Kinn deutete er auf den Feldweg, den sie entlang schlenderten. Aus der Richtung des Hofes kam ihnen Katrins Vater entgegen.
„Papa, wo gehst du denn hin?“, fragte sie, als er bei ihnen angekommen war.
Hermann stutzte. „Und wo kommt ihr her?“
„Wir waren spazieren“, antwortete Katrin betont beiläufig. „Und du?“, wiederholte sie ihre Frage.
„Ins Dorf geh ich. Karten spielen. Wird Zeit, dass ich meine alten Gewohnheiten wieder aufnehme.“ Damit machte er sich wieder auf den Weg.
Verwundert sah Katrin der davoneilenden Gestalt ihres Vaters nach. „Früher hat er beinahe jeden Freitagabend Skat gespielt. Das ist bestimmt ein gutes Zeichen, wenn er jetzt wieder damit anfängt. Auch wenn Mama früher ganz und gar nicht begeistert davon war.“
„Jedenfalls sah er ganz munter aus. Trotz der ganzen Arbeit heute Mittag.“
„Ich bin gespannt, was Mama sagt.“ Neugierig gingen sie nach Hause.
Hermann marschierte munter die Dorfstraße entlang. Heute fühlte er sich so gut wie seit langem nicht mehr. Vielleicht lag es daran, dass die Hitze endlich nachgelassen hatte, jetzt, wo der Herbst vor der Tür stand. Das Stechen in seiner Brust war weniger geworden und er bekam auch wieder besser Luft. Luise gluckte um ihn herum und sähe am liebsten, er würde gar keinen Finger mehr rühren. Sie machte ihn noch verrückt mit ihrem Getue.
Gestern hatte Hermann seinen alten Skatbruder getroffen, und da hatte er den Entschluss gefasst, künftig wieder öfters unter die Leute zu gehen. Ein paar Runden Skat und ein gepflegtes Bierchen würden ihm schon wieder auf die Beine helfen.
Voller Vorfreude sah Hermann durch die Fenster in die schummrige Kneipe und bemerkte erfreut, dass der „Ochse“ heute gut besucht war. Die Aussicht auf einen Abend in geselliger Runde hob schon jetzt seine Stimmung. Hermann rieb sich erwartungsvoll die Hände und öffnete die schwere Eichentüre, die ihn noch von seinem Glück trennte.
Schon schlug ihm der altvertraute Geruch von Bier und Tabak entgegen und der Lärm der Männer, die erzählten und lachten und einen Tag harter Arbeit ausklingen ließen. Ja, das hatte ihm gefehlt.
Er blieb einen Moment an der Theke stehen und ließ den Blick umherschweifen, um zu erkunden, wer denn heute alles hier war.
„N `abend, Hermann. Lange nicht mehr gesehen.“ Der Wirt stellte Hermann prompt ein frisches Altbier vor die Nase.
„N `abend, Johann. Ja, ich hab gedacht, wird mal wieder Zeit, dass ich den jungen Burschen zeige, wie man ordentlich Karten spielt.“
„Deine alten Skatbrüder sind auch hier. Sitzen an eurem Stammplatz hinten in der Nische.“
Hermann nahm sein Bier und machte sich auf den Weg quer durch das lärmende Lokal. Hinten in der Ecke erspähte er seine Freunde, die sich angeregt unterhielten. Er musste einige Tische umrunden und stand jetzt hinter dem dicken Stützbalken aus Eiche, der ihn noch von seinen Freunden trennte.
„Ich frag mich, wo der Hermann bleibt.“ Hausmanns Theo trank einen Schluck Alt und griff nach den Karten.
„Der Hermann?“, rief Peter Kellermann verwundert. „Wie kommst du denn jetzt auf den? Der kommt doch schon ewig nicht mehr her.“
„Ich hab ihn gestern getroffen, als er vom
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