Ein schicksalhafter Sommer
Markt kam. Da hat er gesagt, er wolle heute mal wieder vorbeischauen.“
Hermann wollte gerade hervortreten und sich zu erkennen geben, als ein dritter Mann sich zu Wort meldete.
„Ihr redet doch wohl nicht vom Nessel, oder? Ich dachte, der wäre schon längst tot.“
Diese Bemerkung war pure Gehässigkeit, denn wenn hier irgendeiner starb, wusste das am nächsten Tag das gesamte Dorf, dachte Hermann wütend. Und Arne Nigatz erst recht. Sein Bruder fuhr jeden Morgen im ganzen Umkreis die Milch holen und wusste über alles Bescheid. Arne Nigatz! Sollte der etwa der neue dritte Mann beim Skat sein, der ihn ersetzte? Ausgerechnet. Den Nigatz konnte er leiden wie Magenschmerzen und dieses Gefühl beruhte auf Gegenseitigkeit.
„Ach was, der ist quicklebendig“, versicherte ihm jetzt Theo. „Sah zwar schlecht aus, war aber ganz fidel, als ich ihn gestern getroffen hab. Kam gerade zusammen mit seinem merkwürdigen Knecht aus Düsseldorf, vom Markt.“
„Dann bist du aber so ziemlich der Einzige, der von sich behaupten kann, den Nessel in den letzten Wochen gesehen zu haben. Den hat man doch seit Monaten kaum noch zu Gesicht bekommen.“
„Du hast Recht, Arne“, stimmte Peter ihm zu, „wenn ich jetzt darüber nachdenke, war er in den letzten Wochen noch nicht einmal mehr beim Gottesdienst am Sonntag.“
„Sag ich doch. Wenn ein Mann am Sonntag nicht zur Kirche geht, da muss er schon arg krank sein.“
„Von wegen! Der Knecht, der sich bei denen eingenistet hat, ist auch nicht krank, und der hat das Gotteshaus auch noch nicht von innen gesehen, seit der hier ist“, warf Peter hämisch ein.
„Kein Wunder. Der hat bestimmt Angst, dass er vom Blitz getroffen wird, wenn der geheiligten Boden betritt.“ Arne und Peter brachen in Gelächter aus.
„Also, da verstehe ich den Hermann ja nicht, dass der nicht darauf besteht, dass dieser Mann zur Kirche geht. Wer hätte gedacht, dass der einen Heiden beherbergt?“ , warf Theo gar nicht erheitert ein.
„Was heißt denn hier „darauf besteht“? Der Hermann hat da auf dem Hof bestimmt nichts mehr zu melden. Wer weiß, was der Knecht da in der Walachei mit den Nessels angestellt hat? Über den erzählt man sich ja so einiges.“ Vielsagend zog Arne die Brauen hoch.
Theo hielt im Kartenmischen inne. „Was meinst du denn damit?“
„Mensch, Theo. Jetzt überleg doch mal! Dass der Gehilfe, den der da aufgegabelt hat, nicht ganz astrein ist, das sieht man ja auf den ersten Blick. Und seit der sich da auf dem Hof eingenistet hat, ist der Hermann mehr und mehr von der Bildfläche verschwunden.“ Er wartete, bis auch seinen Gesprächspartnern diese offensichtliche Tatsache bewusst geworden war, und fuhr dann fort, wobei er an den Fingern abzählte: „Der Knecht bringt das Pferd zum Beschlagen. Er erledigt alle Besorgungen. Und wen sieht man auf den Feldern arbeiten? Auf jeden Fall nicht den Hermann. Selbst mein Bruder, der die Milch jeden Morgen abholt, sagt, dass es der Knecht ist, der ihm morgens die Milch bringt. Zusammen mit der Tochter, wohlgemerkt. Die sieht man übrigens auch öfters auf dem Feld arbeiten. Alleine mit dem Knecht. Tja, und da sind wir schon beim nächsten Punkt.“
„Worauf willst du eigentlich hinaus?“ , fragte Theo.
„Teilst du heute noch mal die Karten aus?“ , warf Peter ein.
Theo teilte aus, und sie nahmen erst mal ihre Karten auf.
„Um auf unseren Freund Hermann zurück zu kommen“, fing Arne wieder an, „also, ich sag euch mal, wie ich das sehe: Der komische Vogel hat sich da eingenistet, macht sich an die Tochter ran und der alte Nessel hat nichts mehr zu melden.“
„Du spinnst ja .“
„Ich spinne, ja? Der Nessel liegt krank und schwach im Bett und ist zu nichts mehr zu gebrauchen, und der Knecht ersetzt ihn und macht alles, was anfällt. Und wenn ich alles sage, dann meine ich auch alles!“ Mit einem dreckigen Lachen besah er sich seine Karten. „Wer weiß denn, was da vor sich geht, auf dem Hof? So weit abgelegen? Wahrscheinlich hat der Hermann dem den Hof schon überschrieben.“
„Moment, Moment“, gab jetzt Peter zum Besten. „Eins hast du nicht bedacht, bei deinen Überlegungen. Die Tochter ist doch schon anderweitig vergeben.“
Als seine Kartenbrüder wie erwartet Erstaunen zeigten, tat er überrascht. „Ja, wisst ihr es denn noch nicht? Der Kofer Karl will doch um sie freien.“
Das hatte den gewünschten Effekt, denn selbst Theo brach in Gelächter aus.
„Jetzt mal ehrlich, Pitter. Das war doch
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