Ein schicksalhafter Sommer
jetzt ein Witz, oder? Man stelle sich vor: Die Nessels, arm wie die Kirchenmäuse, und beide Töchter werden von den reichsten Junggesellen der Gegend geheiratet. Das ist ja wie bei Aschenputtel.“ Theo wischte sich die Lachtränen aus den Augen.
„Aber da heiratet nur eine Tochter, nicht zwei“, gab Peter zu bedenken, „dann eher wie bei Hänsel und Gretel, da hatten die Eltern auch nichts zu fressen und wohnten in einem Schuppen, ehe die Kinder reich wurden.“ Nachdem auch dieser Heiterkeitsausbruch abgeebbt war, bemerkte Peter nachdenklich: „Nein, das passt auch nicht. Da heiratet ja keiner.“
„Jetzt hab ich`s. Frau Holle. Die Goldmarie ist ja schon unter der Haube. Aber so wie die Katrin, so hab ich mir die Pechmarie immer vorgestellt“, warf Arne ein.
„Jetzt hört doch auf mit dem Unsinn.“ Wieder ernst, trommelte Theo nachdenklich mit den Fingern auf dem Tisch. „Was mich nachdenklich macht, ist Folgendes: Selbst wenn die Katrin die Schönste der Stadt wäre, würde es mich wundern, dass der Karl sich für sie interessiert. Ihr wisst doch so gut wie ich, was man sich über den Karl erzählt. Dass er sich mehr für die Vierbeiner seines Vaters interessiert als für das weibliche Geschlecht.“
„Na, bitte.“ Arne haute mit der Faust auf den Tisch. „Da wissen wir doch jetzt, warum er um die Katrin wirbt. Die hat ja auch einen Arsch wie ein Brauereipferd.“
Wieder brachen sie in Gelächter aus, und diesmal bekam Arne auch einen anerkennenden Schlag auf die Schulter.
„Ja, ja, der gute, alte Hermann“, brachte Peter atemlos heraus, „auf den passt der Spruch ja nicht gerade, dass die dümmsten Bauern die dicksten Kartoffeln haben, so wie der seinen Hof runtergewirtschaftet hat, aber Glück hat er ja trotzdem.“
„Soeben hat der Knecht ihn noch enteignet, und jetzt hat er Glück. Ihr müsst euch schon entscheiden, wer von euch recht hat“,warf Theo unbehaglich ein. „Und jetzt lasst doch endlich von den Nessels ab. Ich konnte den Hermann immer gut leiden.“
„Ich bin ja nach wie vor überzeugt, dass der Knecht da auf dem einsam gelegenen Hof sein Unwesen treibt. Aber wenn es so ist, wie du sagst, dass die Katrin sich jetzt den Karl angelt, ja, dann musst du doch wohl zugeben, dass es eine beachtliche Leistung ist, beide Töchter so vorteilhaft an den Mann zu bringen. Da haben wir die Nessels, die auf dem heruntergekommensten Hof in der ganzen Gegend wohnen. Na gut, die Sofia, die ist ja mal ein Leckerbissen, keine Frage. Aber die anderen alle! Mein lieber Mann!“ Momentan sprachlos, schüttelte Arne den Kopf. Dann hatte er sich wieder gefangen. „Zuerst hat sich die Sofia also den Georg geangelt. Damit ist die Versorgung der Familie mit Gemischtwaren schon mal gesichert. Von den teuren Kolonialwaren ganz zu schweigen. Was meint ihr denn, was der Hermann da Kredit kriegt. Oder Sonderpreise. Und jetzt zieht sich die Katrin den Karl an Land. Dann ist der Hermann endgültig alle Sorgen los. Was meint ihr, was der Kofer die Nessels dann unterstützen muss, mit seinem ganzen Geld. Dafür wird die Katrin schon sorgen. Die hat nämlich Haare auf den Zähnen.“
„Bist du jetzt endlich fertig? Was hat dir der Hermann eigentlich getan, da ss du so über ihn herziehen musst?“
„Also, Theo! Gar nichts hab ich gegen ihn. Ganz im Gegenteil. Ich wünsch dem Mann alles Gute“, heuchelte Arne. „Und das braucht er auch .“ Er gab einen mitfühlenden Laut von sich. „Der Hermann ist aber auch geschlagen. Der Hof eine Ruine. Die Mutter ein Drachen. Die Frau wiegt zwei Zentner und die Tochter ist unansehnlich. Ja, ich kann dem Hermann nicht verübeln, dass der sich nicht mehr aus dem Bett traut. Wenn ich an seiner Stelle wäre, hätte ich auch dauernd einen Furz quer sitzen.“
„Also, du tust so, als würde er gar nicht wirklich krank sein“, unterstellte Theo seine m Kartenbruder, „aber ich frage dich, würde Hermann sonst freiwillig so lange vom Kartentisch fernbleiben? Oder vom Frühschoppen?“
„Also, an dem was du sagst, ist was Wahres dran. Bis vor ein paar Monaten kann ich mich an keine Zeit erinnern, wo Hermann einmal nicht zum Skatspielen erschienen ist“, stimmte Peter Theo zu.
„Ja“, seufzte nun Arne übertrieben, „nicht ein Frühschoppen, wo der Hermann nicht so stramm war, dass er beinahe nicht mehr hätte nach Hause laufen können. Und kein Schützenfest im Umkreis war ihm zu weit entfernt, als dass er es nicht besucht hätte, um einen zu heben. Aber dass er
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