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Ein Schlag ins Herz

Ein Schlag ins Herz

Titel: Ein Schlag ins Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
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people of Finland
«, sagte Patrik.
    Herman hielt sich den Radiolautsprecher ans Ohr und nickte.
    »Ich bin Finne, mein Name ist Patrik Vasama, aber ich werde Englisch sprechen. Von jetzt an wird meine Botschaft zu jeder vollen Stunde gesendet werden, und ich bitte darum, sie auch ins Finnische zu übertragen. Aber nun komme ich direkt zur Sache. Ich bin promovierter Geologe, spezialisiert auf die Untersuchung von radioaktivem
Material. Früher war ich für die finnische Atomindustrie tätig   …«
     
    Timo hörte konzentriert zu. Vasama erzählte von seiner Vergangenheit als Geologe und davon, wie wichtig die Tiefe des Endlagerschachts für die Sicherheit der Aufbewahrung war. Er sagte, er habe die Eisbildungsgeschichte Kanadas untersucht, die sehr ähnlich gewesen sei wie die in Finnland. Vor sechzig- bis siebzigtausend Jahren sei der Permafrost in Kanada bis in eine Tiefe von sechshundert Metern vorgedrungen und unmittelbar vor der Eiszeit bis zu einem Maximum von siebenhundertfünfzig Metern. Im schwedischen Aspö sei man zu den gleichen Resultaten gekommen. Aber aus irgendeinem Grund habe man sich in Olkiluoto, obwohl man das gleiche mathematische Modell benutzte, bei den vorläufigen Resultaten auf eine Eindringungstiefe des Permafrosts von nur hundertzweiundachtzig Metern festgelegt.
    »
Dieses Ergebnis war überraschend, sehr deprimierend und vor allem gefährlich
«, fuhr Vasama fort, wobei seine Stimme immer mehr an Schärfe gewann.
    »
Ich habe lange darüber nachgedacht, habe die Computerdurchläufe untersucht und in meiner Not einen Fehler begangen, den ich mir nie verziehen habe: Ich habe einige Wärmeleitfähigkeitswerte des Gesteins so verändert, dass sich im Endergebnis eine Permafrosttiefe von mehr als fünfhundert Metern ergab. Auch das ist nicht ausreichend, aber immerhin etwas näher an dem international ermittelten Durchschnittswert.«
    Timo ahnte bereits, wie es weitergehen würde.
    »
Ich ahnte nicht, was ich damit auslöste. Mein Vorgesetzter, Jorma Laine, geriet aus der Fassung und ging die gesamten Daten durch. Das war eine Arbeit von mehreren Wochen, aber er war zäh. Meine Manipulation wurde
entdeckt, und erst da erfasste ich voll und ganz, was mir bevorstand: meine komplette Vernichtung, das Ende meiner Karriere. Trotzdem wusste ich, dass ich recht hatte hinsichtlich der Permafrosttiefe, also der Frage nach einer sicheren Endlagerung
…«
     
    Laine saß mit einem seiner ehemaligen Vorgesetzten am Konferenztisch. Neben dem Radio standen eine Thermoskanne und ein unberührter Teller mit Keksen auf dem Tisch.
    Laines Gesicht war blass, aus seinen Lippen war das Blut gewichen. Wie in Hypnose, den Blick auf das Radio gerichtet, malte er Vierecke und Dreiecke auf einen Block.
    »
Ich hatte vor, den Kampf fortzusetzen, bis ich begriff, dass ich meine Glaubwürdigkeit verloren hatte
«, sagte Vasama mit brüchiger Stimme. »
Ich konnte mich nicht weiter mit Fragen der Endlagerung befassen, denn ich war zu einer Waffe in den Händen meiner Gegner geworden. Ich war zur Last für all jene Geologen geworden, die so dachten wie ich. Was immer ich auch vortrug, es konnte wegen meines aufgeflogenen Betrugs abgeschmettert werden. Ich hatte der sicheren Endlagerungstiefe schlicht und einfach die Glaubwürdigkeit genommen. Zu meiner Überraschung verschaffte mir mein Vorgesetzter Laine ein Abfindungspaket, das nach der Kündigung ein Jahr weitere Gehaltszahlung beinhaltete. Ich nahm es an und ging nach Südafrika, in den Dienst einer Firma, die nach Erz suchte
…«
    Laine sah seinen ehemaligen Vorgesetzten an, der mittlerweile Abteilungsleiter bei TVO war. Dessen Gesicht war versteinert und knallrot.
    »
Erst später fing ich an, mich über ein paar Dinge zu wundern. Wie konnte das Endergebnis der vorläufigen Simulation eine so geringe Permafrosttiefe aufweisen,
hundertzweiundachtzig Meter, im Vergleich zu allen anderen Untersuchungen? Warum gab man mir eine Abfindung, obwohl ich einen Betrug begangen hatte?«
    Laine sprang auf und trat ans Fenster, das zur morgenstillen Straße ging. Er wünschte sich weit weg, ganz gleich wo.
     
    Timo kochte vor Wut. Am liebsten hätte er Laine die Leviten gelesen   …
    »
Ich kam auf den Verdacht, dass schon vor mir jemand die Simulation manipuliert hatte. Schriftlich bat ich Laine, die Daten zu untersuchen. Ich erhielt keine Antwort. Ich traf den Leiter des Strahlenschutzzentrums, der einen Betrüger wie mich nicht ernst nahm, sondern behauptete, ich

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