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Ein Schlag ins Herz

Ein Schlag ins Herz

Titel: Ein Schlag ins Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
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mit dem Ministerpräsidenten im Sitzungsraum des Staatsrates. Nach einem Becher Kaffee und einigen Telefonaten war seine Müdigkeit verflogen. Vor dem Fenster dämmerte der Morgen.
    »Ich bin gerade dabei, in einen riesigen Ameisenhaufen zu pinkeln«, sagte Timo zum Ministerpräsidenten, mit dem er unter vier Augen hatte sprechen wollen.
    »Laine verfügt über enge Kontakte zu den höchsten Beamten im Wirtschaftsministerium, zur Strahlenschutzbehörde und zu den Atomenergiebossen. Angeblich besteht dennoch keine Chance, innerhalb des vorgegebenen Zeitfensters an die von Vasama geforderten Computerdaten zu kommen.«
    Der Ministerpräsident sah ihn an und wartete darauf, dass er weitersprach.
    »Laine hat mir gegenüber eine plump verbrämte Drohung ausgesprochen. Ich verstehe, dass es bei der Endlagerung um größere Dinge geht, als man auf den ersten Blick meinen könnte. Aber trotzdem muss diesen Herrschaften jemand sagen, sie sollen das Material, das Vasama verlangt, herausrücken. Angesichts der Lage scheint mir das keine unangemessene Forderung zu sein.«
    »Und was sagen Sie dazu, dass sich auf dem Schiff offenbar Atommüll aus dem Behälter befindet?«
    »Ich habe keinen Anlass zu bezweifeln, dass Vasama alsFachmann in der Lage ist, in dieser Hinsicht für Sicherheit zu sorgen«, sagte Timo.
    »Aber ist er an Sicherheit überhaupt interessiert, wenn er bei so einem Vorhaben mitmacht?«
    »Er mag größenwahnsinnig sein, aber da steckt mehr dahinter.«
    »Und seine Forderung, eine Live-Schaltung zu bekommen?«
    »Ich bin dafür, wenn es der Sicherheit der Geiseln dient.«
    »Wenn wir uns auf Erpressung einlassen, haben wir einen unendlichen Sumpf vor uns«, sagte der Ministerpräsident.
    »Wir müssen den Charakter der Forderung abwägen und in Relation zur Lage setzen. Ich sehe keinen Grund, Vasamas Forderungen abzulehnen. Aber Laine will nicht darauf eingehen, und seine Atomkollegen auch nicht. Ich frage mich zunehmend, warum nicht. Ich bitte Sie, den Leuten als Ministerpräsident die unverzügliche Herausgabe des Datenmaterials abzuverlangen.«
    »Ich werde ihnen meinen Standpunkt erläutern, aber es ist schwierig, mehr als das zu tun.«
    Sie unterhielten sich noch über einige Einzelheiten, dann machte sich Timo wieder auf den Weg zum Hafen. Der Lotse, um den die Entführer gebeten hatten, war bereits an Bord des Schiffes gegangen.
    Aus dem Radio des Polizeiautos, von dem Timo gefahren wurde, kamen die Halb-Sechs-Uhr-Nachrichten: »
Nach einer Information aus Moskau beginnt heute westlich von Sankt Petersburg ein Manöver der in Pihkowa stationierten russischen Luftlandetruppen. Vertreter der OSZE haben angemahnt, das Manöver sei entgegen der Vereinbarungen nicht angekündigt worden
…«
    Timo seufzte. Die Lage in Estland wurde immer prekärer.Er rief den Polizeipräsidenten an, dem mitgeteilt worden war, das von Vasama geforderte Datenmaterial sei nicht mehr vorhanden.
    »Das behaupten sie«, sagte Timo. »Und was sage ich Vasama?«
    »Sag ihm, wie es ist. Das Material ist nicht mehr da.«
    »Das ist schon verdammt merkwürdig. Vor anderthalb Stunden hat Laine nichts davon gesagt, dass man das Material vernichtet hätte. Ist es in der Zwischenzeit auf mystische Weise verschwunden?«
    »Vielleicht wusste Laine das einfach nicht, ich verstehe nicht, worauf du eigentlich hinauswillst. Ich bin bald im Hafen, dann hören wir uns Vasamas Funkspruch zusammen an.«
    Das Auto, in dem Timo saß, fuhr an dem Spalier der Fotografen hinter den Absperrbändern entlang auf den Parkplatz des Olympia-Terminals, das normalerweise von der Reederei Tallink Silja benutzt wurde.
    Die Möwen kreischten am bewölkten Himmel, ansonsten wirkte das Hafengebiet unnatürlich still angesichts der Anzahl der Personen, die sich dort aufhielten. Vor dem Terminal stand ein Bus, der als Einsatzzentrale der Polizei diente. Nachdenklich ging Timo daran vorbei zu der Betonbrüstung, von der aus man auf das ruhige Wasser blicken konnte. Er fürchtete Vasamas Reaktion, wenn dieser erfuhr, dass seine Forderung nach dem Datenmaterial nicht erfüllt werden konnte.
    Timo atmete tief ein und versuchte, durch die Seeluft wenigstens etwas von dem Schlaf zu ersetzen, den er längst hätte bekommen müssen. In der Ferne grummelte ein Gewitter. In der Morgendämmerung sah man auf dem Gelände des Olympia-Terminals ausschließlich Männer des SEK Bär, mit Helmen, kugelsicheren Westen und Sturmgewehren, Polizeiautos und

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