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Ein Schlag ins Herz

Ein Schlag ins Herz

Titel: Ein Schlag ins Herz
Autoren: Ilkka Remes
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Touristenklasse hatten sie einige Sitzreihen frei gelassen und die Gefangenen an verschiedenen Stellen des mittleren Bereichs platziert. Zwei Reihen vor Patrik saß Herman. Durch die Sitze hindurch konnte er dessen Schulter und die eine Hälfte seines Gesichts sehen. Aus den Wunden überm Auge und an der Wange sickerte noch immer Blut und rann auf den Hals hinab. Der Hemdkragen war dunkelrot. Patrik reckte sich noch ein wenig, bis er das ruhige, ernste Gesicht des Finnair-Kapitäns sah.
    Einige Reihen weiter vorne war ein Bildschirm angebracht, auf dem bei langen Flügen Filme und Nachrichten gezeigt wurden sowie während Start und Landung Bilder von der Bugkamera der Maschine. Jetzt war der Bildschirm schwarz.
    Patrik lehnte den Kopf gegen die Nackenstütze und versuchte, der Reihe nach zu rekonstruieren, was geschehen war. Die Angreifer, in deren Gewalt sie jetzt waren, kamen aus Russland und gingen militärisch diszipliniert und effektiv vor. In wessen Dienst standen sie? Dem der russischen Föderation? Eigentlich war es einerlei. Klar war jedenfalls, dass sie speziell die geheimnisvolle Kapsel wollten. Und sie hatten sich so benommen, dass Außenstehende den Eindruck bekommen mussten, sie gehörten zu Hermans Leuten.
    Die Maschine schaukelte weiter und flog einen jähen Bogen. Wohin waren sie unterwegs?
    Allmählich wurde es heller vor dem Fenster. Patrik sah in dem Moment hinaus, als die Maschine die Wolkendecke durchstieß und gleißende Helligkeit über blauem Himmel die Augen blendete. Die Sonne schien von schräg vorne, das hieß, dass sie nach Osten flogen. Das war nun keine Überraschung mehr.
    Als die Maschine den Steigflug beendet hatte, regte sich etwas im vorderen Teil der Passagierkabine. Die Russen tauschten die Maschinenpistolen gegen Pistolen mit kleinem Kaliber, die man auch im Flugzeug benutzen konnte.
    Patrik versuchte, die Hände hinter dem Rücken zu bewegen, um den Blutfluss in Gang zu halten.
    Eine leichte Turbulenz erschütterte die Maschine und brachte die im Gang stehenden Russen kurz aus dem Gleichgewicht.
     
    Sandrine schaute auf die Wolkenformationen vor dem Fenster und fühlte sich erstaunlich ruhig.
    Aufgrund ihres starken Gerechtigkeitsgefühls hatte sie stets versucht, in moralisch-ethischer Hinsicht korrekt zu handeln, aber vorhin erst, auf dem Flughafen, hatte sie begriffen, wie sehr die Gefühle für einen anderen Menschen ihre Entscheidungen, ja ihr gesamtes Denken beeinflussen konnten. Sie begriff, dass sie in ihrem Wunsch, in der Dritten Welt zu helfen, ihre zwischenmenschlichen Beziehungen egoistisch vernachlässigt hatte. Und nun plötzlich verstand sie ihre wahren Gefühle für Patrik. Sie hatte nicht gewusst, dass sie solche Gefühle hatte.
    Im selben Moment zuckte sie zusammen. Ein hochgewachsener Mann kam mit einem Messer in der Hand den Gang entlang. Niemand sah in seine Richtung, auch Sandrine richtete den Blick wieder zum Fenster hinaus, aber im Augenwinkel sah sie, dass der Mann neben ihr anhielt.
    »Steh auf!«, befahl er.
    Sandrines Puls beschleunigte sich. Sie gehorchte langsam und sah Patriks ängstlichen Blick einige Sitzreihen weiter vorne.
    Der Russe packte sie an der Schulter und drehte sie mit dem Rücken zu sich. Sandrine spürte einen Ruck an denHandgelenken, und gleich darauf waren ihre Hände frei. Durch das einschießende Blut brannten sie schmerzhaft.
    Der Mann führte sie in den vorderen Teil der Maschine. Sandrine rieb sich im Gehen die Hände und sah sich gleichzeitig aufmerksam um. In der nahezu unbesetzt wirkenden Kabine sah man hier und da die Gesichter niedergeschlagener Männer.
    Sie ging an Patrik vorbei, dessen Augen wachsende Sorge verrieten.
    Wieder erschütterte eine Turbulenz die Maschine, und Sandrine musste sich an einem Sitz abstützen. In der Business-Klasse stand ein Bewaffneter mit ernstem Gesicht. Von der vorderen Sitzreihe ragte ein blutiges Bein in den Gang.
    Der Russe, dem Sandrine die Befreiung ihrer Hände zu verdanken hatte, blieb neben seinem Kameraden, der in halb sitzender Position schwitzend und fluchend auf dem Sitz hing, stehen und sagte:
    »Es heißt, du bist Ärztin. Er hat eine Schusswunde. Versorg sie!«
    Woher wissen sie, dass ich Ärztin bin?, fragte sich Sandrine. Da fiel ihr ein, dass es in den Nachrichtensendungen der ganzen Welt erwähnt worden war.
    »Wie lange dauert es, bis man ihn in eine Klinik bringen kann?«
    Der Mann taxierte sie.
    »Ich muss das für die Erstversorgung wissen.«
    »Tu das, was mit
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