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Ein Schlag ins Herz

Ein Schlag ins Herz

Titel: Ein Schlag ins Herz
Autoren: Ilkka Remes
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dem hier möglich ist.« Der Mann reichte ihr den Erste-Hilfe-Koffer der Maschine.
    Sandrine untersuchte die Wunde in der Wade. Offenbar waren die Russen vor ihrer Ankunft am Flughafen in einen Schusswechsel geraten.
    Der Mann hatte einen blutdurchtränkten Druckverband am Bein, wie ihn Soldaten im Feld anwendeten. Sandrinezog Einweghandschuhe an und entnahm einem sterilen Beutel aus dem Koffer eine kleine Schere, mit der sie den Verband löste und die Wunde freilegte.
    Während sie das tat, beobachtete sie die Russen aus den Augenwinkeln. Einer von ihnen ging zur Cockpittür und sprach mit dem Piloten. Anschließend redete der Mann aufgeregt auf seine Kameraden ein. Dabei wiederholte er in seinem russischen Redefluss zwei Wörter, die Sandrine sich einprägte.
    Sie verband die Wunde neu und zog die Handschuhe aus.
    »Fertig?«, fragte der Bewaffnete, der neben ihr stand.
    »Bis zum Krankenhaus. Dort sollen sie weitermachen.«
    »Geh auf deinen Platz.«
    Sandrine steckte die Handschuhe und den Verband in eine Tüte und legte die Instrumente in den Koffer, behielt die Schere aber in der Faust. Sie ging in die Touristenklasse zurück, wo die Russen sie vermutlich bald wieder fesseln würden. Leichte Turbulenzen ließen die Maschine wackeln, während Sandrine durch den Gang ging. Sie musste sofort handeln.
    Sie machte einige schnelle Schritte, tat so, als geriete sie ins Stolpern und ließ sich auf Patrik fallen. Mit einer Hand suchte sie Halt an der Rückenlehne seines Sitzes, die andere schob sie hinter Patriks Rücken. Schnell suchten ihre Finger den Kabelbinder, setzten die Schere an und knipsten den Kunststoff entzwei.
    »
Svidetel
und
nestschastnyi slutschai
– diese Worte haben sie ständig wiederholt«, flüsterte sie Patrik zu und ließ die Schere hinter dessen Rücken auf den Sitz fallen. Dabei richtete sie sich auf und ging weiter. Als sie ihren Platz erreicht hatte, kam der Russe herbeigeeilt und fesselte erneut ihre Hände, diesmal noch strammer als zuvor.
    Sandrine warf einen Blick auf Patrik und sah, dass dieser dasaß, als wäre nichts passiert.
     
    »388, hören Sie mich?«, fragte der Flugleiter über Mikrofon und sah Timo an. »Die antworten immer noch nicht. Die Maschine wird in cirka zehn Minuten den russischen Luftraum erreichen, falls sie ihre Route beibehält.«
    Michaels hatte, direkt nachdem der Airbus abgehoben hatte, den Tower verlassen. Auf dem Platz war er in den Chrysler gestiegen, der sofort losgebraust war. Obwohl die Amerikaner sich durch die Fahrt aufs Rollfeld eines Deliktes schuldig gemacht hatten, versuchten die Polizisten nicht einmal, den Wagen aufzuhalten, die Männer hatten diplomatische Immunität.
     
    Patrik behielt die Hände auf dem Rücken, bis der Russe auf dem Gang ihn wieder passiert hatte. Sobald der Abstand groß genug war, rieb er sich unauffällig die Hände und spürte, dass die Finger wieder Gefühl bekamen.
    Er nahm die Schere, auf die er sich rasch gesetzt hatte, und blickte hinter sich. Als er wieder nach vorne sah, wurde ihm klar, dass sie einzig und allein mit Hermans Kompetenz und Kaltblütigkeit wenigstens eine kleine Chance hatten, gegen die Russen anzukommen.
    Aber lohnte es sich, ein derartiges Risiko einzugehen? Vielleicht wurden sie nach der Landung der Maschine freigelassen? Nein, das würden die Russen kaum tun   … Er musste den Vorteil, den er durch die Schere und die Befreiung von den Fesseln hatte, auf jeden Fall zu nutzen versuchen, was immer auch dabei herauskommen mochte.
    Patrik schob den Kopf zwischen die Sitze und flüsterte: »Herman   …«
    Das Brummen der Motoren überlagerte seine Stimme. Er sah, wie Herman den Kopf zur Seite drehte, aber nurein wenig, um besser zu hören. Dadurch wurde seine Wunde sichtbar. Das Blut bedeckte die linke Gesichtshälfte komplett, und das Auge war fast zugeschwollen. War Herman überhaupt in der Lage, etwas zu tun?
    »Schieb deine Hände zu mir hin«, flüsterte Patrik.
    Herman blickte kurz auf den Gang und steckte dann die gefesselten Hände zwischen den Rückenlehnen hindurch.
    Patrik streckte die Hand mit der Schere so weit nach vorn, wie er konnte. Die Spitze reichte gerade so an Hermans Fesseln heran, aber Patrik merkte, dass er so keine Kraft auf die Schere ausüben konnte.
    Schließlich gelang es ihm doch, und der Kabelbinder ging entzwei. Sofort stieß Patrik gegen Hermans Finger, und obwohl sie fast taub sein mussten, gelang es Herman, die Schere zu fassen zu bekommen. Zum ersten Mal wusste
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