Ein Schlag ins Herz
bei der schwedischen Zentralkriminalpolizei und hatte den Auftrag, die Frau zu kontaktieren, die den Pressebesuch im atomaren Zwischenlager in Oskarshamn und auf der
MS Sigyn
geleitet hatte.
»Johan hat die Pressesprecherin von SKB getroffen«, sagte Åsa. »Sie konnte sich an Andrus Reedla nicht erinnern, und während des Besuchs ist nichts Alarmierendes geschehen. Die Frau macht diese Rundgänge seit Jahren.«
»Wie genau lernen die Besucher das Schiff kennen?«
»Sie dürfen aufs Außendeck, werfen einen Blick in die Kommandobrücke und in den Frachtraum.«
»Wird den Besuchern etwas über die Sicherheitsmaßnahmen an Bord erzählt?«
»Sicherlich nichts Kritisches. Aber es wird dich interessieren, dass diesmal auch ein Finne dabei war. Patrik Vasama, auch er freier Journalist wie der Este. Ich fliege morgen früh nach Stockholm.«
13
Die Morgensonne strahlte am blauen Himmel und auf das alte Hauptgebäude des Hotels Jaeger Skärgården inmitten des üppigen Parks, der in diesen Maitagen noch nicht seine volle Blütenpracht entfaltet hatte. Eine Putzfrau war in der Lobby mit dem Staubsauger zugange, als Herman McQuinn auscheckte.
»Beehren Sie uns bald wieder«, sagte der Rezeptionist.
»Ich wäre gerne länger geblieben.«
»Es tut mir leid, aber wie gesagt, wir schließen für eine Woche wegen Renovierungsarbeiten.«
»Na ja, vielleicht gibt es eine andere Gelegenheit.«
Es war nicht das erste Mal, dass ein Hotel wegen der Bilderberg-Konferenz alle anderen Gäste aussperrte und als Grund »Renovierungsarbeiten« vorschob, das wusste Herman.
Er setzte die Sonnenbrille auf und ging mit seinem Aluminiumkoffer zum Wagen. Die große Golftasche hatte er neben der Sitzgruppe im Flur der obersten Hoteletage stehen lassen.
Sandrines idiotisches Verhalten machte ihn rasend. Sie hatte amateurhaft gehandelt.
Geir, Jochem und Jörg kamen ebenfalls mit ihrem Gepäck die Treppe herunter – ohne Golftaschen.
Wenig später fuhren die Männer im Range Rover davon.
Beim Blick auf die Uhr in der Küche der Schärenvilla in Almvik, zwanzig Autominuten vom Hotel Jaeger entfernt, spürte Sandrine, wie ihre Anspannung zunahm. Sie hatten diesen viel zu großen Stützpunkt für die Gruppe übers Internet gefunden, die preiswerteren Objekte waren schon ausgebucht gewesen. Die Einrichtung des Hauses bestand aus kühlem, skandinavischem Design, obwohl das Gebäude selbst alt und erhaben war.
Sie musste an Patrik denken, von dem sie nichts mehr gehört hatte. Vielleicht hatte der Obduktionsbericht Eindruck auf ihn gemacht. Oder sogar die Drohung mit Posiva, auch wenn sie ein Fehler gewesen war. Patrik mochte es nicht, wenn in seiner Vergangenheit gewühlt wurde, das war schon deutlich geworden, als sie noch zusammen waren. Andererseits war es einerlei: Ob es ein Gerichtsverfahren geben würde oder nicht, Patrik würde Sandrine auf jeden Fall bis ans Ende seines Lebens für Beates Tod verantwortlich machen.
Plötzlich kam Sandrine das stimmungsvolle Abendessen auf der Gartenterrasse des Hotels Mount Nelson in den Sinn. Es war einer der schönsten Abende ihres Lebens gewesen, und beim Gedanken daran erfüllte ein schmerzliches Gefühl von Wehmut ihre Brust.
Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als im Radio die Nachrichten des BBC World Service anfingen. Nicht einmal da, beim zuverlässigsten Nachrichtensender der freien Welt, wurde normalerweise über die Bilderberg-Konferenz berichtet.
»
Am frühen Morgen haben die Präsidenten Russlands und der Vereinigten Staaten ein Telefongespräch über die Lage in Estland geführt, die sich aus Moskauer Sicht durch die Marinemanöver der NATO weiter angespannt hat
…«
Sandrine hörte durch die halb offene Flügeltür, wie im Wohnzimmer nebenan geflucht wurde.
»Kann diese Höllenmaschine vielleicht auch mal normal funktionieren«, fluchte der Österreicher Max, ein Blatt Papier in der Hand. Flora, eine rothaarige Deutsche, sah nicht weniger bekümmert aus.
»Sieh dir das an.« Max zeigte Sandrine den Ausdruck, auf dem die Farben nicht annähernd so waren, wie sie sein sollten. »So was kann man doch nicht an Journalisten verteilen!«
»Tausche als Erstes die Farbpatrone aus, vielleicht liegt es daran.«
Max und Flora studierten an der Universität Bremen. Sandrine hatte sie zwei Jahre zuvor über ein antikapitalistisches Internetforum kennengelernt.
In diesem Moment fuhr der Range Rover vor, und Sandrine eilte nach draußen.
»Alles in Ordnung?«, fragte sie, ohne
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