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Ein Schlag ins Herz

Ein Schlag ins Herz

Titel: Ein Schlag ins Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilkka Remes
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mit ihm hochgehen.«
    Sandrine begriff, dass jedes ihrer Argumente abgeschmettert wurde. Alle mussten die Strickleiter hinauf.
    »Schneller!«, fuhr Craig den sechzigjährigen Dan Cohen an und zeigte dem Sprecher der Republikaner, wo er die Strickleiter anfassen sollte. Erst da erkannte Sandrine, nach welchen Kriterien die Geiseln ausgewählt worden waren: Sie mussten in stabiler körperlicher Verfassung sein und nicht zu alt. Neben Cohen gab es nur noch zwei andere, die deutlich älter waren als der Durchschnitt.
    Unsicher stieg Cohen auf die Leiter, er rutschte mit den Füßen von den Sprossen ab und hing plötzlich nur noch an den Händen. Im selben Moment fuhr eine Welle über ihn hinweg.
    »Scheiße!«, fluchte Herman.
    Cohen konnte sich nicht mehr halten und stürzte ins Wasser. Craig war mit einem Satz an der Reling, streckte sich und bekam im letzten Augenblick den Arm des nach Luft schnappenden und verzweifelt fuchtelnden Mannes zu fassen. Mit aller Kraft versuchte Craig, ihn an Bord zu ziehen, aber von der Seite rollte eine neue Welle an und drückte die Jacht gegen den Schiffsrumpf. Sekunden bevor Cohen zerquetscht worden wäre, gelang es Craig, ihn aus dem Wasser zu zerren.
    »Den armseligen Nichtschwimmern, die nicht fähig sind, selbstständig die Leiter hinaufzuklettern, werden wir mit einem Seil helfen«, rief Herman. »Aber jedermuss hinauf! Es braucht sich niemand einzubilden, er könnte hier im Boot bleiben.«
    »Weißt du auch ganz bestimmt, was du tust?« Sandrine sah Herman an. »Für so etwas gibt es lebenslänglich   … Denk an deinen Sohn, Herman«, sagte sie so leise, dass es die anderen nicht hörten.
    Herman drehte sich um und schaute Sandrine mit vor Hass lodernden Augen an. »Du sagst kein Wort über meinen Sohn!«, zischte er, wandte sich wieder ab und zerrte die nächsten Geiseln noch brutaler als zuvor an die Strickleiter.
     
    Auf der
Sigyn
stand Patrik an der Reling des Oberdecks und schaute ungläubig auf die erschöpften Männer, die sich die Strickleiter hinaufmühten.
    Wer waren sie, und woher kamen sie? Warum waren sie alles andere als seetauglich angezogen?
    Plötzlich fuhr er zusammen. Er erkannte einen der Männer. Es war Frank Taylor, der stellvertretende Geschäftsführer von Microsoft.
    Patrik bekam eine Gänsehaut. Hinter Taylor ging ein zweiter Mann an Bord, der durch die Medien bekannt war: David Pearson, der sicherheitspolitische Berater von Präsident Obama. Erst in der Vorwoche war er anlässlich eines Besuches im Baltikum in den Nachrichten gewesen.
    Was, um Gottes willen, ging hier vor?
    Bevor Patrik seine Gedanken halbwegs ordnen konnte, sah er einen gebräunten, stoppelhaarigen, bewaffneten Mann auf Dominik zugehen. Patrik blieb die Luft weg, als hätte ihm jemand ohne Vorwarnung in den Magen geschlagen.
    Herman
.
    Dominik und Herman unterhielten sich vertraulich.Was sie sagten, konnte Patrik wegen der Entfernung und wegen des Windes nicht verstehen.
    Nun erreichte eine Frau das Deck. Patrik starrte sie bestürzt an.
    Sandrine.
    Sie half einem Mann, der eine Hand verbunden hatte und sofort erschöpft auf dem Deck niedersank. Sandrine blieb neben ihm auf allen vieren, um Kraft zu schöpfen. Dann stand sie auf und sah sich um.
    War das Sandrines Plan gewesen?

27
    Am Berliner Hauptbahnhof verließ Anita Vasama den ICE aus Hamburg. Noch vom Zug aus hatte sie versucht, Patrik unter beiden Nummern zu erreichen, aber er hatte sich nicht gemeldet. Sie hatte ihm auf die Mailbox gesprochen und eine SMS geschickt, beides auf sein Handy, denn das Satellitentelefon verfügte nicht über diese Funktionen.
    Falls sie von Jürgen Gladbach etwas Besorgniserregendes erfahren sollte, würde sie ihren Bruder in Espoo anrufen und ihn bitten, ihr zu helfen, Kontakt zu Patrik aufzunehmen.
    Bis zur Abfahrt des Regionalzugs waren es noch knapp zehn Minuten. Anita eilte an eine der Sandwich-Theken und kaufte sich wie üblich ein »finnisches Brot«, ein Vollkornbrötchen mit Ei. Im Lauf der Jahre war ihre Einstellung zu ihrem alten Heimatland immer nostalgischer geworden. Wäre das Verhältnis zu Patrik intakt, wäre sie vermutlich längst nach Helsinki gezogen.
     
    Mit eingeschaltetem Blaulicht und Sirene raste der Polizei-Volvo durch die Hempolsgatan im Zentrum von Stockholm. In vollem Tempo schoss er in die Einfahrt der Zentralkripo und bremste heftig hinter den anderen Dienstfahrzeugen, die bereits vor dem Haupteingang standen.
    Åsa stieg sofort aus, und der Polizist, der an der

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