Ein Schlag ins Herz
Alarmzentrale sagen. »
Auf dem Schiff noch immer Funkstille. Teilt uns sofort eure Beobachtung mit, wenn ihr am Objekt seid
.«
Ekström bestätigte und gab den Funkspruch an seine Besatzung weiter.
Keiner sagte etwas. Alle schauten schweigend und besorgt auf das graue, wogende Meer unter dem Helikopter.
Sandrine stand schon lange an dem getönten Seitenfenster und starrte auf den bewölkten Himmel. Sie versuchte ihre Gedanken zu sammeln und eine Art Plan zu entwerfen, aber das schien unmöglich. Das Wichtigste war, Herman davon zu überzeugen, dass sie keinen Ärger machen würde. Im Gegenteil, sie würde nützlich sein. Das eigentliche Ziel bestand natürlich darin, die Geiseln bei der erstenGelegenheit freizubekommen. Aber wenn man Herman und seine Leute kannte … Würde es eine solche Gelegenheit je geben?
Die maßgeschneiderten Anzüge der Männer, die rings um Sandrine saßen, waren zerknittert, und die Stimmung war noch angespannter als zuvor. Einige Männer waren eindeutig aktiv damit beschäftigt, nach einer Lösung zu suchen, aber Sandrine stand zu weit von ihnen weg, um hören zu können, was sie untereinander redeten, wenn gerade keiner der Bewacher hinschaute.
Plötzlich drosselte die Jacht das Tempo. Sandrine blickte nach vorne und erschrak. Ein großes, rot-weißes Frachtschiff versperrte die Aussicht, auf dem Schornstein prangte ein großes G. Das Schiff schien auf der Stelle zu stehen, eine Strickleiter hing an der Seite herab. Hatte Herman vor, sie alle auf den Frachter klettern zu lassen? Warum? Wo würde das Schiff sie hinbringen?
Die Geiseln spähten aus den Fenstern, und gedämpftes Gemurmel verbreitete sich in der Kajüte, bis Craig alle mit einem Kommando zum Schweigen brachte.
Die Jacht drehte sich ein wenig, und das Frachtschiff wurde besser sichtbar. »Sigyn«, stand auf dem Rumpf. Die Jacht schaukelte in den Wellen.
David Pearson, der sicherheitspolitische Berater des amerikanischen Präsidenten, versuchte fieberhaft, sich ein Bild von der Situation zu machen. Während der Fahrt hatte er sich eingeredet, dass es besser um sie stand, als es den Anschein hatte. Es handelte sich doch nur um eine medienwirksame Aktion, die bald mit einer Erklärung vor laufender Kamera enden würde. Vielleicht würde man sie demütigen, indem man sie vor irgendeinem Slogan posieren ließ. Oder indem man von ihnen verlangte, die Forderung nach einer gerechteren Welt auszusprechen.
Aber tief in seinem Inneren wusste er, dass dies bloßes Wunschdenken war. Das gnadenlose Vorgehen der Angreifer und ihre fast militärische Disziplin waren ein deutliches Zeichen dafür, dass hier eine Operation völlig anderer Art ablief. Er kannte die Profile der bekanntesten terroristischen Vereinigungen auf der ganzen Welt, sie spukten ihm im Kopf umher, aber er konnte diese Gruppe hier in keine Kategorie einordnen.
»He, bleib, wo du bist!«, brüllte der Mann mit dem Maschinengewehr, eilte von der Tür auf einige Geiseln zu, packte Alain Deschamps, den Direktor des Ölkonzerns Elf, am Kragen und stieß ihn aufs Bett zurück.
»Niemand rührt sich, und keiner spricht«, rief der Mann und kehrte auf seinen Posten an der Tür zurück, wobei er eine Hand ans Ohr hielt. Er lauschte, kehrte dann den Geiseln den Rücken zu und sagte leise etwas, vermutlich in ein verstecktes Mikrofon. An Deck hörte man Schritte, gefolgt von Poltern und gedämpften Ausrufen.
»Hat jemand gesagt, dass der Name des Schiffs
Sigyn
ist?«, flüsterte Deschamps.
»Ich habe das gesagt«, erwiderte Dan Cohen. »Warum?«
»Es transportiert den Müll aus schwedischen Atomkraftwerken zum Zwischenlager.«
David Pearson war nicht sicher, ob er richtig gehört hatte. Um sich herum sah er ungläubige und bestürzte Gesichter. Höchstwahrscheinlich hatte er richtig gehört.
Würde man sie auf ein Schiff bringen, das radioaktiven Müll geladen hatte? Warum, um Himmels willen?
Nun waren Schritte auf der Treppe. Ein zweiter Mann mit Maschinenpistole betrat die Kajüte. »Ich werde euch jetzt Anweisungen geben. Hört genau zu!«
Åsa saß im Zentrum von Stockholm neben einem Polizisten auf dem Beifahrersitz eines Saab. Sie waren auf demWeg zur Operationszentrale der Polizei. Sie wäre gern zum Hotel Jaeger Skärgården gefahren, auch wenn die Entführer mit den Geiseln bereits auf dem Meer waren. Fragte sich bloß, mit Kurs wohin.
Das Telefon klingelte, auf dem Display stand TORKELSSON.
»Kannst du reden?«, fragte der
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