Ein Schlappohr fällt vom Himmel / Der Bankmanager und der Obdachlose: Zwei zum Preis von einem (German Edition)
Sandra wie man ihr geheißen.
Was war nur mit Hendrik geschehen, sodass er ihr mehr als nur fremd war? Jäh überkam Sandra ein unsägliches Gefühl, ein Gefühl, das ihr regelrecht Angst einjagte …
»Frau Maurer, einen Moment bitte.« Nicht sicher, ob sie gemeint war, drehte sich Sandra nach dem Rufer um.
»Ja? Bitte?«, Sandra blieb wie zur Salzsäule erstarrt vor dem nicht gerade gepflegt zu nennenden Menschen stehen.
»Frau Maurer, entschuldigen sie bitte die Störung, aber ich hätte doch zu gerne gewusst wie es ihrem Mann geht.«
»Sie sind Ludger? Nicht wahr? Anders konnte es definitiv nicht sein.« Sandra fragte sich bestürzt, was Hendrik, der doch sonst so penibel war, bloß an diesem zotteligen Kerl fand?
»Ja, ich bin Ludger. Ihr Mann und ich sind schon seit längerem miteinander befreundet.« Nach diesen Worten hätte Sandra lauthals loslachen können. Der Bankmanager und der Obdachlose, das war ja einfach nur grotesk.
»Schön, das freut mich für sie«, spottete Sandra … »und für meinen Mann natürlich auch.« Armer Hendrik, tiefer konnte man nun wirklich nicht mehr sinken.
»Okay Frau Maurer, ich kann es ja verstehen, dass sie dieser ungleichen Freundschaft feindselig gegenüberstehen. Trotzdem möchte ich sie um etwas bitten. Sagen sie ihrem Mann doch, wenn sie ihn wieder besuchen werden, dass ich hier gewesen bin und dass man mich nicht zu ihm ließ.« Irgendetwas lag bei seiner Bitte in seinen blaugrauen Augen, was Sandra doch berührte. War es Sorge oder Hilflosigkeit? Sandra wusste es nicht. Sie spürte nur eines, dass Ludger gewiss kein schlechter Mensch war …
»Ich mache ihnen einen Vorschlag. Wenn ihnen wahrhaftig so viel an einem Besuch bei meinem Mann liegt, dann seien sie doch morgen so gegen vierzehn Uhr wieder hier. Ich werde sehen was ich tun kann …« Noch ehe er sich bei ihr für ihr Verständnis hätte bedanken können, war sie grußlos gegangen. Doch etwas beruhigter stieg er auf Hottes alten Drahtesel …
»Was ist nur aus uns geworden?«, flüsterte Sandra erschüttert, als sie in ihrem Wagen saß. Erschöpft ließ sie ihren Kopf aufs Lenkrad sinken. »Inzwischen bin ich schon so weit, dass ich mich sogar mit einem Obdachlosen verabrede nur um Hendrik einen Gefallen zu tun. Hendrik war krank. Er musste sich dringend in ärztliche Behandlung begeben, bevor er noch völlig den Verstand verlor …
Am folgenden Morgen begab sich Ludger wie jeden Morgen auf die Suche nach Pfandflaschen. Zufälligerweise schaute er beim Gang durch die City in eines der riesigen Schaufenster und erstarrte. Das durfte doch nicht wahr sein? Die verwahrloste Kreatur, die sich darin widerspiegelte, sollte das etwa er sein? Nun wunderte ihn auch nicht mehr, dass man ihn in der Klinik wie einen Aussätzigen behandelt hatte. Jäh erschien die gepflegte Gestalt von Sandra Maurer vor seinem geistigen Auge. Wie sehr musste sie doch Hendrik lieben, sodass sie sich nicht davor scheute, sich mit einem Penner zu verabreden. Auf der Stelle machte Ludger eine Kehrtwendung. Zu seinem Leidwesen musste er die Suche nach dem Pfandgut für heute ausfallen lassen. Der Gedanke gefiel Ludger zwar nicht so ganz, da er auf die an manchen Tagen doch mehr als magere Ausbeute, gewissermaßen angewiesen war …
»Moin Ludger«, wurde er erstaunt vom Leiter des städtischen Obdachlosenasyls begrüßt. »Dich habe ich hier ja schon seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen.«
»Keine Zeit Karl, bin ständig auf Achse, aber heute bin ich gekommen um dich um einen Gefallen zu bitten.«
»Ja, denn schieß los«. Karl war ganz Ohr.
»Ich bräuchte dringend etwas Anständiges, Sauberes zum Anziehen. Habe nämlich etwas Wichtiges zu erledigen.«
»Wenn ich dich richtig verstanden habe, dann soll ich dir eine Hose, Hemd usw. besorgen? Okay, kein Problem, komme in einer Stunde wieder, dann kannst du die Klamotten gleich hier anprobieren. Sag mal«, fragte Karl neugierig geworden, »wozu brauchst du den Fummel eigentlich?«
»Möchte einen Freund im Krankenhaus besuchen. In diesem Outfit lassen sie mich nämlich nicht zu ihm.«
»Alles klar, dann würde ich dir aber vorschlagen, bevor du in die Klamotten steigst, dich erst mal hier unter die Dusche zu stellen, denn du miefst schon wie ein alter Otter.« Ludger nahm Karls Worte nicht krumm, weil er wusste, dass er es nur gut mit ihm meinte.
»Was nützt dir duschen und saubere Klamotten, wenn dein Äußeres absolut nicht dazu passt?«,
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