Ein Schlüssel für den Mörder
zog das schmale Schulterband
ihres Kleides mit gleichmäßiger Beharrlichkeit über ihren Oberarm herab, und
etwas mußte schließlich nachgeben. Es gab einen scharfen, knackenden Laut, als
das Oberteil ihres Kleides herunterrutschte.
»Aha«, sagte Stanton
triumphierend. »Du hast recht, Paula, es ist noch da .«
Sie blickte auf ihre entblößte
Brust herab und kicherte krampfhaft. »Mr. Stanton«, sagte sie mit erstickter
Stimme, »Sie sind wirklich ein Spaßvogel .«
»Und wie steht es mit Ihren
Ermittlungen, Mr. Holman ?« fragte Leon Douglas
freundlich. »Machen Sie Fortschritte ?«
»Hervorragende Fortschritte!«
Ich nahm mir ein Hühnerbein. »Ich habe gehört, Sie sind ein Experte im Fechten?
Mit Rapier und allem Drum und Dran?«
»Ich fechte ein bißchen«, sagte
er bescheiden. »Es ist eine gute Übung — schärft das Reaktionsvermögen nach
einem im Bürostuhl verbrachten Tag. Was für ein Hobby haben Sie, Mr. Holman ?«
»Dasselbe wie Stanton«, sagte
ich versonnen. »Aber die Voraussetzungen sind nicht so günstig wie bei ihm .«
Stanton und Paula waren damit
beschäftigt, das Monument der Weiblichkeit zu betrachten, das er soeben
enthüllt hatte, während sie die relativen Vorzüge eines golden bemalten
Muttermals gegenüber einem silbern bemalten diskutierten. Inez fühlte sich zur
Seite geschoben und beobachtete sie kalt. Dem Ausdruck ihres Gesichts nach zu
schließen, war sie drauf und dran, irgendwelche dreckigen Ausdrücke auf spanisch zu äußern.
»Es ist das erstemal ,
daß ich auf einer von Carters Parties bin«, sagte
Douglas milde. »Ich dachte immer, sie seien nichts als wilde Orgien, wo sich
jeder auf den Tiefstand tierischer Leidenschaften begibt. Es ist so hübsch,
dahinterzukommen, daß man völlig recht hat .«
»Ich glaube, ich sehe Mrs.
Stanton dort drüben«, murmelte ich mit einer vagen Armbewegung zur anderen
Seite des Raumes hinüber. »Ich glaube, sie versucht, Ihre Aufmerksamkeit auf
sich zu lenken, Douglas. Sie scheint irgend etwas Wichtiges herüberzurufen .«
»Oh?« Er zuckte mit den
Wimpern. »Vielleicht sehe ich besser einmal nach, was sie möchte. Entschuldigen
Sie mich.»
Man sollte denken, ein
brillanter junger Chefredakteur hätte genügend Verstand, um sich darüber im klaren zu sein, daß es Zeiten gibt, in denen ein Mann
Unterhaltung wünscht, und andere Zeiten, in denen er einfach hungrig ist,
dachte ich verdrossen. Ich häufte mir Currykrabben und Hummer auf meinen Teller
und rückte beidem gnadenlos zu Leibe. Als ich beinahe damit fertig war, hörte
ich, wie eine laute, kalte Stimme hinter mir sagte: »So! Hier haben Sie sich also
verkrochen — Sie erbärmliches Würstchen! «
Ich drehte mich vorsichtig um,
und mein Blick fiel auf eine große Blonde, deren Augen mit uneingeschränkter
Verachtung auf mich gerichtet waren. Die blonde, kunstvoll verwirrte dichte
Mähne machte die scharfen, intelligenten Züge ihres Gesichts weicher — aber der
Haarwirrwarr vermochte nicht im geringsten den Ausdruck flammenden,
verächtlichen Abscheus in ihren Augen zu mildern. Er enervierte mich derartig,
daß ich volle fünf Sekunden brauchte, um festzustellen, daß sich das
Silberlaméabendkleid wie eine Haut um jede der bezaubernden Rundungen und
Einbuchtungen ihrer aufreizenden Figur legte.
»Nina, Süße«, sagte ich mit
heiserer Stimme. »Soll das heißen, daß Sie vierundzwanzig Stunden
durchgeschlafen haben ?«
»Sie Mistvieh!« Sie rümpfte
angeekelt die Nase. »Sie Feigling! Mich in der Stunde meiner Not zu verlassen!«
»Es tut mir leid«, sagte ich
schuldbewußt. »Aber ich wußte, daß der Swimming-pool geheizt war und Sie sich
deshalb nicht erkälten konnten. Und ich habe, bevor ich ging, mich davon
überzeugt, daß Sie auch schwimmen können .«
»Davon rede ich gar nicht«,
sagte sie kalt. »Ich bin wütend auf Sie, weil Sie mich den zarten
Aufmerksamkeiten Alberts überließen, dem Mann mit den Polypenarmen! Wir fochten
im Wohnzimmer einen wilden Kampf aus, machten ein Wettrennen die Treppe hinauf
und hatten ein kurzes Geplänkel vor dem >Blauen Zimmer<, bevor es mir
gelang, hineinzukommen und die Tür abzuschließen .«
»Es tut mir aufrichtig leid, Nina,
meine Süße«, sagte ich unterwürfig. »Ich dachte, Albert wäre wirklich ein
Butler, was zugegebenermaßen naiv von mir war, nachdem ich mich erinnere, wie
Sie angezogen waren .«
Das übermütige Glitzern kehrte
wieder in ihre Augen zurück, und sie grinste mich spöttisch an. »Okay,
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