Ein schmutziges Spiel
Umständen ist das wohl verständlich.«
»Wo fahren wir hin?«, fragte ich in forderndem Ton.
»Das werden Sie noch früh genug sehen.« Mit ihrem Stock tippte sie mir an den Hals. »Bald werden all Ihre Fragen beantwortet werden, kleine Detektivin, dann werden Sie nichts mehr fragen müssen.«
Ihr Kopf fiel zur Seite. Es war merkwürdig: Celestes Gesicht sah plötzlich aus wie ein Totem, wie eine hölzerne Geiermaske. Bekam ich jetzt schon Halluzinationen vor lauter Angst?
Wir gewannen an Höhe, als die Limousine die gewundenen Straßen von Montecito erklomm, in deren Verlauf sich große abgeschiedene Anwesen, die sich hinter zwei Meter hohen Klebsamenhecken versteckten, in Felsschluchten schmiegten.
Vor einem großen, mit Zacken besetzten Doppeltor aus Eisen hielten wir an. Ken streckte den Arm aus dem Fenster und gab einen Code ein. Die Tore schwangen auf. »Stonecroft«, stellte Celeste fest. »Im Sommer kaum erträglich und im Winter eine elendig kalte Höhle. Ein Mausoleum für die Lebenden, gewissermaßen.«
Die mit Granitsplitt bedeckte Straße schlängelte sich an Mammutbäumen und Farnen vorbei und beschrieb am Ende einen Kreis vor einer grauen Steinvilla, die drei Stockwerke hoch vor einem steilen Berg aufragte. Auf dem dunklen Dach lag eine dicke Schicht fäulnisgeschwärzten Mooses.
»Kommen Sie näher, Jaymie. Ich habe Ihnen etwas zu sagen, das nur für Ihre Ohren bestimmt ist.«
Ich weiß nicht, warum ich meiner Kidnapperin gehorchte. Vielleicht lag es an meiner unstillbaren Neugier, die Art Neugier, die Katzen oft das Leben kostet. Ich beugte mich zu Celeste hinüber und ließ zu, dass ihre Klauen meinen Hals ergriffen, während sie einen Hauch von Aasgeruch an meine Wange atmete.
»Sie haben sich so bemüht, meine Liebe, und so wenig davon gehabt. Ehe Sie abtreten, möchte ich Ihnen noch etwas gönnen. Ich werde Sie Daphne vorstellen, dem Archetypus der Daphne persönlich.«
Die ältliche Haushälterin, die die Tür öffnete, trug einen grauen Rock und ein schwarzes Sweatshirt. Sie sah mich nur kurz an, ehe sie zurücktrat und zu Boden starrte.
»Janet«, blaffte Celeste, als sie das Haus betrat. »Ist sie im Wohnzimmer?«
Die Dame krümmte sich regelrecht. »Ja, Miss Delaney. Heute …«
»Das reicht, Janet. Ich muss nicht wissen, wie sich ihr Gedärm verhält oder dergleichen. Führen Sie die Jungs ins Arbeitszimmer.«
»Ja, Miss Delaney«, antwortete die Frau händeringend.
Ich verspürte das dringende Bedürfnis, eine Spur aus Brotkrumen auszulegen. »Hallo«, sagte ich mit fester Stimme. »Ich bin Jaymie Zarlin.«
»Ha-hallo«, antwortete Janet stockend.
»Kümmern Sie sich nicht um sie«, befahl Celeste. »Sie kommen mit mir.«
Alles im Inneren des Hauses war massiv und schwer. Die Böden aus Stein, die Wände mit dunklem Eichenholz getäfelt. Das war kein typisch kalifornisches Haus, sondern eines, das in den Osten gehörte. Vielleicht war es vor der Großen Depression von einem reichen Industriellen erbaut wor den.
Auf ihren Stock gestützt klapperte Celeste wie eine Blinde über die Steine. Trotzdem beschrieb sie zielsicher ihren Weg durch die Eingangshalle und einen langen Korridor hinunter zu einer Küche, die groß genug war, eine ganze Armee zu versorgen. Ein elektrischer Teekessel, der einzige Gegenstand, der einen Hinweis darauf lieferte, dass diese Küche benutzt wurde, pfiff auf der steinernen Arbeitsplatte vor sich hin. »Janet ist so unterbelichtet wie die finstere Nacht. Sehen Sie sich das an: Das närrische Weib hat das Wasser kochen lassen. Ziehen Sie den Stecker raus.«
Als ich das tat, kam mir in den Sinn, dass ich das kochende Wasser als Waffe einsetzen könnte, um mich zu befreien. Aber meine Neugier bezwang meine Furcht.
Celeste humpelte zu einer Tür am anderen Ende der Küche. »Machen Sie auf, ja?«
Die Tür führte zu einem schlichten Raum, der zweifellos einmal als Frühstücksraum geplant worden war. Er war mit einem Durcheinander aus Stühlen und kleinen Tischen möbliert, und in einer Ecke tat knisternd und zischend ein großer alter Fernseher seinen Dienst.
In einem elektrischen Fernsehsessel vor dem Gerät saß eine blasse Frau mit dünnem weißen Haar. »Oh, Ce-Celeste …« Ihre schlaffen Wangen erbebten, als sie zu sprechen versuchte.
»Wirklich, Caroline.« Celeste humpelte zu der Frau hinüber. »An deinem Pullover kleben Essensreste. Richte dich ein bisschen her, ja?«
Caroline. Das also war die Mutter von Sutton Frayne.
»Aber,
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