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Ein schöner Ort zu sterben

Ein schöner Ort zu sterben

Titel: Ein schöner Ort zu sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malla Nunn
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hat, dass niemand weiß, wer sie ist. Er hat sie doch geschützt.«
    »Er hat sich selbst geschützt«, widersprach Emmanuel. So schnell er konnte, ohne die Fotos zu beschädigen, schob er sie in die Tasche zurück. Er brauchte seine Pillen. Er brauchte irgendetwas, was ihn davon abhielt, zum Haus des Captains zu humpeln und dieses pornografische Festtagsmahl Mrs. Pretorius in ihren schneeweißen Hals zu schieben.
    »Das machst du nicht«, warnte der Sergeant Major. »Der alte Jude flickt dich wieder zusammen, und als Erstes wirst du morgen früh diesen ganzen Packen per Eilzustellung an van Niekerk schicken. Dieser Schund rettet dir das Leben, Soldat.«
    Der Sergeant Major hatte zwar recht, aber Emmanuels Wut besänftigte das nicht. Es war wegen des letzten Fotos. Zu seiner eigenen Überraschung brachte der zufriedene Ausdruck auf Willem Pretorius’ Gesicht ihn in Rage. Er konnte beinahe die Stimme der Frau hören, wie sie den nackten Holländer neckisch dazu überredet hatte, in die Kamera zu grinsen, nachdem sie das Laken passend zurechtgezupft hatte.
    Emmanuel ließ die Tasche zuschnappen. Er selbst musste von einer nackten Frau in einem ausgebrannten Keller träumen, während der Captain alles in Natura bekommen hatte. Seine Wut wurde noch angestachelt von einem anderen Gefühl. Emmanuel stutzte. Er war tatsächlich rasend eifersüchtig auf den Captain und diese Frau, die er den ganzen Nachmittag gefickt hatte, um sich dann auch noch einen riskanten Scherz zu erlauben.
    Die Schmerzen scheuchten Emmanuel hinaus auf den Kaffernpfad, zum alten Juden und dessen zerkratzter Arzttasche.
     
    Emmanuel klopfte zum dritten Mal an die Tür und wartete. Es war schon fünf nach halb elf. In der kleinen Stadt Jacob’s Rest hatte bereits jeder für die Nacht die Tür verrammelt. Zweigman würde eine Weile brauchen, bis er öffnete.
    »Ja bitte?«, fragte der Deutsche durch die Tür.
    »Sergeant Cooper. Ich bin wegen etwas Privatem da.«
    Das doppelte Schloss klickte auf, und Zweigman spähte durch den Türspalt. Sein weißes Haar stand wirr vom Kopf ab, aber seine braunen Augen waren klar und blickten scharf. Unter einem zerschlissenen Morgenmantel mit einem mottenzerfressenen grünen Samtkragen trug er einen einfachen Baumwollpyjama.
    »Sie sind ja verletzt«, sagte er. »Kommen Sie hier entlang.«
    Der deutsche Arzt wies auf eine Tür direkt rechts vor ihnen, und Emmanuel schleppte seinen schmerzenden Körper in ein Zimmer, das gerade eben groß genug war, um ein Ledersofa und einen in der Mitte stehenden Sessel zu beherbergen. Auf irgendeinem Tisch stand ein Grammofon, daneben ein Stapel Schallplatten in Papierhüllen. Was den Raum jedoch beherrschte, waren die Bücher. Sie stapelten sich an den Wänden, in allen Ecken und beiden Seiten des Sofas. Es gab hier mehr Bücher, als ein Mensch in seinem Leben lesen konnte.
    Zweigman nahm eine alte Zeitung vom Sessel und warf sie achtlos beiseite.
    »Lassen Sie mal sehen, was Sie sich geholt haben!«, sagte er.
    Emmanuel sank in den rissigen Ledersessel und streckte mit einiger Mühe sein Bein vor.
    »Nur ein paar Wehwehchen. Nichts, was eine Ladung Schmerztabletten nicht wieder in Ordnung bringen könnte.«
    »Das habe ich zu entscheiden«, antwortete Zweigman, kniete sich hin und zog sanft das zerrissene Hosenbein hoch, um die Wunde zu untersuchen. Er ließ ein zufriedenes Grunzen hören und stand auf.
    »Schmerzmittel werden tatsächlich helfen, aber die Wunde ist tief. Sie muss gereinigt und genäht werden. Darf ich bitte Ihre Schulter sehen?«
    Emmanuel fragte den Deutschen nicht, wie er von dem Andenken wusste, das ihm der Nachtwächter in Lorenzo Marques verpasst hatte. Trotz seiner bescheidenen Lebensumstände konnte Zweigman nicht den Mantel intellektueller Überlegenheit ablegen, der ihm über die eingefallenen Schultern hing. In einem früheren Leben hatte der eigenartige weißhaarige Mann Menschen Respekt eingeflößt, und Emmanuel konnte sich gut vorstellen, dass der gute Doktor seine Fachkenntnisse vor allem steinreichen Familien in Häusern mit polierten Möbeln hatte zugute kommen lassen.
    Emmanuels Hemd war schon halb aufgeknöpft, als es an der Tür klopfte. Das zunächst leise Pochen verwandelte sich, als von drinnen nicht sofort geantwortet wurde, unversehens in ein irres Hämmern.
    »Liebling?«, rief die Frau mit tränenerstickter Stimme. »Liebling?«
    »Bitte bleiben Sie sitzen«, bat Zweigman, während er zur Tür ging und sie sanft öffnete. In einem

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