Ein schöner Ort zu sterben
auslegte, wendete sich sein Glück. Auf dem elften Foto sah man einen sonnenbeschienenen Felsbrocken im Busch. Auf dem zwölften war es derselbe Fels, aber nun lehnte sich eine junge Frau dagegen, die ihre gebräunten Arme vor ihrem Oberkörper verschränkt hatte. Sie war voll bekleidet. Kein besonders bemerkenswertes Bild, abgesehen davon, dass hier eine gemischtrassige Frau von einem weißen Mann fotografiert worden war und sie nicht zu erkennen war.
Emmanuel legte die restlichen Fotos des ersten Packens in der Reihenfolge aus und betrachtete sie eins nach dem anderen. Jedes Bild war eine linkische, beinahe pubertäre Entdeckung des weiblichen Körpers. Der Fotograf kam einem vor wie ein schwitzender Novize, der für jedes Foto um ein kleines bisschen mehr gebettelt hatte. Das Kleid der Frau, ein einfaches, handgeschneidertes Baumwollgewand für Kirchenfeste und Familienpicknicks, wurde jedes Mal zwei Knöpfe weiter aufgemacht. Langsam kamen die geschmeidigen Rundungen der Brüste, Schenkel und Hüften zum Vorschein. Schließlich war die schmucklose Schale abgeblättert. Auf den Bildern sah man jetzt von der Sonne beschienene braune Haut, dunkle, harte Brustwarzen und Schamhaar.
Das letzte Foto aus dem Packen, die Nummer 25, zeigte eine Frau, die sich nackt gegen den Felsen lehnte und die Beine gespreizt hatte. Ihr Gesicht war immer noch nicht zu erkennen. Eine sonnenbeschienene, prächtige Einladung zur Glückseligkeit.
Emmanuel sah sich den langsamen Striptease noch einmal an. Er konnte verstehen, warum Achmed diese Fotos so geliebt hatte. Sie dokumentierten, wie jemand nicht nur seine Kleidung ablegte, sondern vielmehr seine Unschuld. Auf jedem Bild hatte man den Eindruck, dass die Frau und der Fotograf sich langsam und unausweichlich auf einen Punkt zubewegten, an dem sie noch nie gewesen waren.
Als Beweismittel waren die Fotos weit weniger attraktiv. Rein gar nichts auf ihnen verriet eine Verbindung zwischen Willem Pretorius und der geheimnisvollen Frau. Die ersten Bilder hätte jeder, der Zugang zur Polizeistation hatte, aufnehmen können. Und es gab nur Achmeds Wort, dass es der holländische Captain gewesen war, der die unentwickelten Filme abgegeben hatte. Ein dunkelhäutiger, halb arabischer Moslem galt vor einem südafrikanischen Gericht nicht gerade als zuverlässiger Zeuge.
»Mach den zweiten Umschlag auf.« Auf einer Woge von Schmerzen schwemmte der Sergeant Major ins Zimmer und setzte sich an die Spitze der Parade. »Du kriegst erst deine Pillen, wenn du genau weißt, was du da hast, mein Junge.«
Emmanuel klappte den Umschlag auf und zog einen frischen Stapel Fotos heraus. Der Schmerz in seiner Schulter meldete sich mit heftigem Pochen, das sich über den ganzen Rücken ausbreitete und ihn zwang, durch den Mund zu atmen.
Mit zitternden Händen legte er die ersten fünf Bilder aus und betrachtete sie. Dieselbe Frau an einem anderen Ort: ein Schlafzimmer mit einem breiten schmiedeeisernen Bett und Spitzenvorhängen vor dem Fenster. Es war nicht die Steinhütte mit ihrer schmalen Pritsche. Das Zimmer auf den Fotos sah irgendwie weiblich aus, vielleicht war er sogar das Schlafzimmer einer Frau.
»Das nackte Weib ist schon ein wundersames Ding, findest du nicht, Kamerad?«, fragte der Schotte ehrfürchtig. »Schau dir diesen Arsch an! So drall, darauf würde ein Schilling abprallen.«
Emmanuel blätterte weiter, mittlerweile schneller, weil der Schmerz schon den Hals hinaufkroch. In fünf Minuten würde sein Kopf voller Presslufthämmer sein. Die Fotos verschwammen in einem Wirrwarr pornografischer Motive. Die Frau nackt auf allen vieren, dann nackt von hinten, dann mit ausgebreiteten Beinen, so dass man jede Falte und jede Einzelheit ihres rasierten Geschlechts erkennen konnte.
»O ja, mein Junge.« Der Sergeant Major war hingerissen. » Außer Essen und Wasser und Whisky braucht man nur noch das zum Leben. Genau die richtige Medizin.«
»Wenn ich diese Fotos nicht mit Captain Pretorius in Verbindung bringen kann«, antwortete Emmanuel, »schmeißt die Geheimpolizei sie aus dem Fenster, weil sie für den Fall nicht relevant sind. Schmuddelkram und Kommunisten passen schlecht zusammen.«
»Langsam, langsam …«, maulte der Sergeant Major. »Du lässt ja das Beste aus. Kannst du dir nicht mal einen Moment Pause gönnen und deine Arbeit genießen? Sieh dir mal das letzte an.«
Emmanuel nahm das Foto auf. Die Frau lag nackt auf dem ungemachten Bett, die Beine nach oben gespreizt und die Hand
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