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Ein schöner Ort zu sterben

Ein schöner Ort zu sterben

Titel: Ein schöner Ort zu sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malla Nunn
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Grausamkeiten geformt worden waren – und von unerwarteten Freundlichkeiten.
    Um den morbiden Zauber zu brechen, griff Emmanuel nach einem Buch und ließ seine Finger über den weichen Kalbsledereinband gleiten. Stadt der Sünde war auf den Deckel geprägt. Das Buch stammte aus derselben Reihe wie Himmlische Freuden, das schmale Bändchen, das er im versperrten Allerheiligsten des Captains gefunden hatte. In einer so kleinen Stadt wie Jacob’s Rest konnte das Buch eigentlich nur aus diesem Zimmer stammen.
    »Hat sich Pretorius schon einmal Bücher von hier ausgeliehen?«
    »Mit einer solchen Bitte hat er mich nie beehrt«, antwortete Zweigman. »Ich glaube, er hielt sich ausschließlich an die Bibel.«
    »Verleihen Sie überhaupt welche von Ihren Büchern?«
    »Jeder ist herzlich eingeladen, Detective.«
    Emmanuel schnaufte verärgert. »Irgendwelche Namen wollen Sie mir aber nicht nennen, nehme ich an. Zum Beispiel nicht verraten, wer sich ein Buch mit dem Titel Himmlische Freuden ausgeliehen hat.«
    »Weder kann ich mich an ein solches Buch erinnern, noch kann ich mir vorstellen, wem diese Lektüre zuträglich sein sollte.«
    Zweigman blieb sich treu und verriet gar nichts. Emmanuel trank seinen Tee aus und schob sich aus dem so tiefen und bequemen Ledersessel hoch. In seinem Blut schwamm das Schmerzmittel, und er fühlte sich wie neu geboren.
    »Wenn Constable Shabalala mir etwas verschweigt, dann weiß ich, dass er es tut, um Captain Pretorius zu schützen. Wen schützen Sie, Doktor?«
    »Mich selbst«, antwortete Zweigman ohne Zögern. »Alles, was ich tue, dient nur dazu, meine Seele vor weiteren Schuldgefühlen zu schützen.«
    »Eigentlich wollte ich von Ihnen nichts weiter als einen Namen«, sagte Emmanuel und wandte sich zum Gehen. Er musste schlafen. Morgen war ein wichtiger Tag. Er musste versuchen, die Frau auf den Fotos zu identifizieren, und darauf hoffen, dass sie ihn zu dem Mann führen würde, der die Beweise aus der Steinhütte gestohlen hatte.
    »Detective Sergeant.« Zweigman reichte ihm das Gefäß mit der Salbe. »Reiben Sie damit alle zwei bis vier Stunden Ihre Schulter ein. Davon geht die Schwellung zurück.«
    »Danke. Außerdem brauchte ich noch mehr Schmerztabletten. Ich habe keine mehr.«
    Zweigman überlegte und rechnete in seinem blitzgescheiten Kopf nach. Seine braunen Augen musterten den verletzten Detektiv scharf, erst dann antwortete er.
    »Vor weniger als einer Woche haben Sie genug für drei Wochen bekommen. Wo ist der Rest geblieben?«
    »Weg«, antwortete Emmanuel, dem bewusst war, wie sich das für einen Arzt anhören musste. »Normalerweise nehme ich nicht soviel auf einmal.«
    »Und weshalb haben Sie die Dosis erhöht?«
    Emmanuel brachte es einfach nicht über sich, irgendjemandem von der Stimme des Sergeant Majors zu erzählen oder davon, dass er selbst durch rauchende Feuer lief – selbst wenn es sich dabei um einen hochqualifizierten Mediziner handeln mochte. Zweigmans Frage konnte er weder ihm noch sich selbst beantworten. Das Städtchen Jacob’s Rest hatte alle Käfige in ihm geöffnet, die er normalerweise verschlossen halten konnte, und er wusste nicht einmal, warum.
    Zweigman trat zu seiner Arzttasche und kam mit einem halbgefüllten Döschen weißer Pillen wieder.
    »Diese Tabletten sind gegen die körperlichen Schmerzen. Gegen den Schmerz in Ihrem Herzen oder Ihrem Kopf können sie nichts ausrichten. Ein solcher Schmerz lässt sich nur heilen, indem man ihn fühlt.«
    »Und wenn dieser Schmerz so schlimm wird, dass man ihn nicht mehr aushalten kann?«, fragte Emmanuel. Die Seelenklempner bei der Armee waren ganz groß darin, Schmerzen mit Medikamenten abzutöten, damit man nichts mehr spürte, was einer Rückkehr in den aktiven Dienst im Wege stand. Wenn man tauglich genug war abzudrücken, war man auch tauglich genug, wieder aufs Schlachtfeld zu ziehen.
    »Dann wird man verrückt.« Zweigman lächelte. »Oder man verwandelt sich in ein neues Wesen, eines, in dem man sich nicht einmal selbst wiedererkennt.«
    »Ist es das, was Sie gemacht haben? Sich verwandelt?«
    »Nein.« Der alte Jude sah jetzt tatsächlich so uralt aus wie der Fels von Jerusalem. »Ich verstecke mich nur vor dem, was ich früher war. Ein trauriges und feiges Ende, sehr passend für den Rest meines Lebens.«
    »Sie sind für Anton eingetreten. Sie beschützen Ihre Frau und die Frauen, die für Sie arbeiten. Was ist daran traurig und feige?«
    »Das sind nur Rückzugsgefechte, um die

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