Ein schöner Ort zu sterben
Die Angriffe hatten ausschließlich während der Ferien stattgefunden, sonst nie. Vielleicht stand der Spanner ja auf Schulmädchen. Oder er war selbst in den Ferien.
»Meine Herren.« Es war Zweigman, der zum Eintritt in das Gespräch eine Dose mit Butterkeksen seiner Frau hinhielt. »Meine Frau wäre enttäuscht, wenn ich sie nicht wie versprochen abliefere.«
Ohne Umschweife wandte Emmanuel sich an ihn. »Dieser Sittenstrolch – wieso waren Sie eigentlich so sicher, dass das ein Weißer war?«
»Beweise habe ich keine. Nur das Gefühl, dass der Grund, warum er nicht verhaftet und mir der Prozess gemacht wurde, seine Hautfarbe war.«
»Schön und gut.« Emmanuel bezog die zwei anderen in das Gespräch ein. »Nehmen wir einmal an, der Sexualtäter war ein Holländer. Kennen Sie irgendwelche weißen Männer, die nur zu den großen Ferien in die Stadt kommen?«
Zweigman, Anton und Shabalala schüttelten den Kopf. Emmanuel fuhr fort. »Welche weißen Jungen waren letztes Jahr im Internat? Ich meine nur die über vierzehn.«
»Die Loubert-Jungs, Jan und Eugene«, sagte Anton. »Dann waren da noch Louis Pretorius und Jakob, der Sohn der Melsons, glaube ich. Bei den holländischen Jungen draußen auf den Farmen kenne ich mich nicht so aus.«
»Was ist mit Hansie?« Der Gedanke war geradezu grotesk, aber Emmanuel musste auch noch die abwegigste Möglichkeit in Betracht ziehen. Allerdings, die Liste der Verdächtigen einzugrenzen, indem man Informationen über weiße Schuljungen zusammenkratzte, war nicht gerade die hohe Kunst.
»Weiterbildung«, antwortete Shabalala. »Der Constable war in der zweiten Jahreshälfte auf der Polizeischule.«
»Diese Burschen, die letztes Jahr außerhalb auf einer Schule waren – hat man von denen mal einen nach Einbruch der Dunkelheit auf dem Kaffernpfad erwischt?«
»Louis und die Loubert-Jungs«, antwortete Anton. »Die benutzten den Kaffernpfad, um an Zeug zu kommen, das der Captain für … ähm … ungesund hielt.«
»Also Schnaps und Drogen von Tiny«, präzisierte Emmanuel. »Stimmt doch, oder?«
»Ja.« Anton zog erstaunt die Augenbrauen hoch. »Davon haben nur Captain Pretorius und die Farbigen gewusst. Breitgetreten wurde das nicht.«
»Ist eben eine kleine Stadt«, antwortete Emmanuel und fuhr fort. »Wer von diesen drei Jungen hätte Zugang zu dem Fettlöser gehabt?«
»Auf jeden Fall Louis«, antwortete wieder Anton. »Der Junge bastelt ja ständig an irgendwelchen Motoren herum und repariert Sachen. Er ist ziemlich geschickt, und Erich überlässt ihm aus der Werkstatt alles, was er will.«
»War Louis für die Ferien im August und Dezember zu Hause?«, fragte Emmanuel Shabalala.
»Ja«, sagte Shabalala. »Er ist in allen Ferien nach Hause gekommen. Die Missus mag es nicht, wenn er zu lange fort bleibt.«
Das bedeutete, dass Louis ein heißer Kandidat war. Er kannte den Kaffernpfad fast so gut wie ein Eingeborener, kehrte in den Ferien nach Hause zurück und kam auch leicht an den nach Eukalyptus riechenden Fettlöser. Auch wenn es grotesk war, sich den Jungen als Sexualtäter auch nur vorzustellen, rechtfertigten allein diese Fakten schon ein Verhör.
Emmanuel kam noch einmal auf Antons Bemerkung zurück, dass der Junge handwerklich geschickt war. Am ersten Tag der Ermittlungen hatte Louis den deutlichen Anschein erweckt, als sei eigentlich sein Vater der begabte Bastler gewesen. Mehr noch, er hatte es behauptet.
»Ich dachte, der Captain hätte Louis nur dabei helfen lassen, das alte Motorrad wieder herzurichten«, bemerkte Emmanuel.
»Umgekehrt. Der Captain hat Louis geholfen. Der Junge weiß praktisch alles über Motoren, aber der Captain musste immer andere um Hilfe bitten, wenn er mal wieder etwas vermurkst hatte.«
»Glauben Sie, Louis ist in der Lage, ein indisches Motorrad ganz allein zusammenzubauen?«
»Mit Sicherheit.« Anton stellte seine wertvollen Fettlöser-Vorräte zurück in den Holzeimer. »Will mir nicht in den Kopf, warum der auf die Bibelschule gegangen ist, wo er doch in der Werkstatt seines Bruders hätte arbeiten können. Mechaniker passt zehnmal besser zu ihm als Prediger.«
»Ja, aber es passt seiner Mutter nicht.« Mrs. Pretorius hatte ziemlich klare Vorstellungen von der Zukunft ihres Jüngsten. Eine Zukunft ohne Ölflecken und Overalls.
»Die Frage nach den Schulferien ist interessant«, mischte Zweigman sich höflich ein. »Aber das erklärt noch nicht, warum die Angriffe mitten in den Weihnachtsferien aufhörten und es
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