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Ein schöner Ort zu sterben

Ein schöner Ort zu sterben

Titel: Ein schöner Ort zu sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malla Nunn
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Gesicht, dass ihr die Ähnlichkeit zwischen dem Mörder und dem Perversen nicht schon vorher aufgefallen war.
    Emmanuel dachte einen Moment über diese neue Information nach. Sie bestätigte sein Gefühl, dass der Mord in Wahrheit etwas mit Kleinstadtgeheimnissen zu tun hatte und nicht etwa mit einem großangelegten kommunistischen Komplott zur Entmachtung der National Party und ihrer Regierung.
    Er stand auf und strich sich die Falten an seinen Hosen glatt. Vor zwei Tagen hatte er noch geglaubt, Davida sei eine scheue Jungfrau, die bei jeder Berührung eines Mannes, der nicht »von ihrer Art« war, zusammenschrak. Diese Einschätzung hatte sich inzwischen als kompletter Blödsinn erwiesen. Er war nun gezwungen, ihre Darstellung dessen, was sich beim Tod des Captains zugetragen hatte, ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Seinen Instinkten jedenfalls konnte er, was die Nebenfrau des Captains betraf, nicht mehr trauen.
    Lag das daran, weil irgendetwas an ihr ihn anzog, wie der Sergeant Major vermutet hatte? Emmanuel vermied es, das schmiedeeiserne Bett anzusehen, und wehrte die Flut schamloser Bilder ab, die auf ihn einströmte. Es war nun wirklich der ungünstigste Moment, dass seine Libido wieder von den Toten erwachte. Davida Ellis war eine liederliche Farbige und zudem Hauptzeugin des Mordes an einer Galionsfigur der Afrikaander – eine teuflische Mischung.
    Emmanuel wandte sich vom Bett ab und dem Fenster zu, wo sie stand. »Wann haben Sie sich mit Pretorius eingelassen? Bevor die Übergriffe aufgehört hatten oder danach?«
    »Danach. Als der Captain zum ersten Mal in mein Zimmer kam, wollte er mich über den Angreifer vernehmen. Das war Ende Dezember.«
    »Fällt Ihnen noch ein, ob der Captain Sie etwas Ungewöhnliches gefragt hat?«
    »Na ja …«, sie überlegte ihre Antwort, »an dieser Befragung war eigentlich alles ungewöhnlich. Nicht wie bei Lieutenant Uys, der mir drei Fragen gestellt und mich dann aus der Wache gescheucht hat.«
    »Was genau war so ungewöhnlich. Erzählen Sie!«
    »Der Captain kam allein hier in mein Zimmer.« Davida wartete, bis Emmanuel verstanden hatte, dass dies ein Bruch mit den gängigen Regeln war. »Er sagte, ich solle mich auf diesen Stuhl da setzen und meine Augen schließen. Das habe ich gemacht. Dann bat er mich, an den Mann zu denken, der mich angegriffen hatte. Er stellte mir viele Fragen. War der Voyeur größer oder kleiner als ich? Ich sagte, größer, aber nicht viel. Wie seine Haut war, rau oder glatt? Ich sagte, eher glatt, nur ein kleines bisschen rau wie bei jemandem, der gelegentlich mit den Händen arbeitet. Ob seine Haut nach irgendetwas Besonderem gerochen hätte, nach Kaffee, Zigaretten, Fett oder Seife? Ich sagte, nein, aber seine Hände rochen irgendwie vertraut. Der Captain sagte mir, ich solle die Augen weiter geschlossen halten und versuchen, mich zu erinnern. Wo hatte ich diesen Geruch schon einmal wahrgenommen?«
    »Und? Haben Sie sich daran erinnert?«
    »Ich sagte ihm, dass Antons Hände so rochen – wie zerstoßene Eukalyptusblätter.«
    »Glauben Sie, der Voyeur war Anton?«
    »Nein«, antwortete Davida. »Antons Hände sind rau wie Sandpapier, und er hat muskulöse Arme. Der Mann, der mich angegriffen hat, hatte weiche Hände und einen viel zarteren Körperbau als Anton.«
    Emmanuel fragte sie nicht, woher sie solch intime Details über Anton wusste. Vermutlich hatte sie erheblich mehr getan als nur Luft geschnappt, wenn sie mit dem schlaksigen Mechaniker unterwegs gewesen war.
    »Wie hat Captain Pretorius reagiert, als Sie ihm von dem Geruch an den Händen des Täters erzählten.« In dem Verhörprotokoll, das der Captain nach seinem informellen Besuch in diesem ehemaligen Bedienstetenquartier geschrieben und abgeheftet hatte, war von dem Eukalyptusgeruch keine Rede gewesen. Es musste einen Grund geben, warum er das ausgelassen hatte.
    Davida trat nervös von einem Bein aufs andere. Dann schien ihr klarzuwerden, dass nicht nur der Ruf des Captains, sondern auch ihr eigener ohnehin schon ruiniert war. Sie hob den Kopf und sprach so unverblümt mit ihm, wie Granny Mariah es vor der Kirche getan hatte.
    »Ich hatte die Augen zu. Ich habe sein Gesicht nicht gesehen, aber ich weiß, dass er mit mir zufrieden war. Er strich mir übers Haar und sagte: ›Dass du dich daran noch erinnert hast, war klug, Davida.‹ Als ich die Augen aufmachte, war er schon halb aus der Tür.«
    Was war eigentlich los in Jacob’s Rest? War es wegen der Hitze, der

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