Ein schöner Ort zu sterben
seitdem auch keine neuen gegeben hat.«
»Da haben Sie recht«, antwortete Shabalala so leise, dass Emmanuel sich zu ihm umwandte. Der Zulu-Constable machte dasselbe Gesicht wie am Flussufer, kurz bevor sie den Captain aus dem Wasser gezogen hatten. Er sah unbeschreiblich traurig aus.
»Die Drachenberge.« Emmanuel erinnerte sich wieder an Hansies betrunkenes Geschwätz draußen im Busch. Wann genau hatte der Captain Louis »weit, weit weg« geschickt, nachdem er von seinem Trinken und Dogga-Rauchen erfahren hatte? »Ist es damals gewesen, Shabalala?«
»Yebo«, bestätigte der Zulu. »Der Junge, Mathandunina, wurde vom Captain am 1. Januar an einen Ort in den Drachenbergen in Natal gebracht. Ich weiß nicht, warum.«
Emmanuel schrieb van Niekerks Telefonnummer und eine Frage auf ein Blatt in seinem Notizbuch, riss es heraus und reichte es Zweigman.
»Rufen Sie diese Nummer an und fragen sie diesen Mann, Major van Niekerk, ob er auf diese Frage die Antwort kennt. Constable Shabalala und ich sind in einer Stunde zurück. Falls nicht, finden Sie uns wahrscheinlich in einer Zelle.«
Es war fünf nach zwölf. Miss Byrd saß auf der Hintertreppe des Postamts und kaute an einem Sandwich aus Dosenfleisch und zwei Scheiben dickem, weichem Weißbrot. Sie schaute auf und stellte überrascht fest, dass nicht nur der Detective Sergeant, sondern auch der Zulu-Polizist auf sie zukamen.
»Ist dieses Motorenteil, auf das Louis gewartet hat, eigentlich schon eingetroffen?«, fragte Emmanuel.
»Es kam einen Tag an, bevor sein Vater heimgegangen ist. Schrecklich, finden Sie nicht? Da haben der Captain und Louis soviel Arbeit in das Motorrad gesteckt, und dann konnte er nicht mehr darauf fahren. So nahe am Ziel, und dann …«
»Ich dachte, Louis ist jeden Tag zum Postamt gekommen und hat nach dem Teil gefragt?«
»Nein.« Miss Byrd lächelte. »Er ist gekommen, um die Post für seine Mutter abzuholen. Er ist ja so aufmerksam. Was für ein netter Junge!«
»Genau wie Luzifer. Der war ja auch der Schönste unter allen Engeln Gottes«, erinnerte Emmanuel die konsternierte Postangestellte. Er und Shabalala kehrten gemeinsam auf den Kaffernpfad zurück und schlugen den Weg zum Schuppen des Captains ein. Emmanuel hatte dem Zulu-Constable inzwischen von dem Angriff in der Hütte und dem Rattern berichtet, dass er gehört hatte, kurz bevor er ohnmächtig geworden war.
»Anscheinend hat er das Motorrad, nachdem er es schon fertig hatte, wieder auseinandergenommen, damit niemand wusste, dass er einen fahrbaren Untersatz hat.« Emmanuel ahnte, wie die Sache abgelaufen war. »Ich könnte wetten, Captain Pretorius hatte keine Ahnung, dass das Motorenteil aus Jo’burg schon längst da war.«
»Mir hat er davon jedenfalls nichts erzählt.«
Sie verfielen in Laufschritt und trabten nebeneinander in einem Bogen vom Hinterhof der Polizeistation bis zu den Zäunen hinter den Häusern der van Riebeeck Street. Die Mittagssonne hatte die Wolken verdunstet, und der Himmel erstrahlte in makellosem Blau.
»Sie müssen nicht mit hineinkommen«, sagte Emmanuel, als sie vor der Schuppentür stehen blieben. »Egal, ob wir recht haben oder nicht, das hier wird mächtigen Ärger geben.«
Shabalala war von dem Lauf noch nicht einmal ins Schwitzen gekommen. »Der Junge da drinnen«, antwortete er, »war der Einzige, der wusste, auf welchen Pfaden der Captain lief. Ich würde gern hören, was er dazu zu sagen hat.«
Emmanuel drückte sich mit der Schulter gegen die Tür, weil er Widerstand erwartete, doch da war keiner. Die Tür schwang einfach auf, und vor ihnen lag das dunkle Innere des Arbeitsschuppens. Emmanuel trat ein. Louis war ebenso verschwunden wie das Motorrad. Emmanuel trat zu der Stelle, an der die indische Maschine aufgebockt gestanden hatte, fand aber nur mehr einen großen Ölflecken.
»Der kleine Bastard ist mit seinem Motorrad abgehauen. Haben Sie irgendeine Ahnung, wo er hingefahren sein könnte, Shabalala?«
»Sergeant …«
Emmanuel drehte sich um und sah, wie Dickie und zwei der neuen Geheimpolizisten den Zulu-Constable von der offenen Tür wegzerrten und in den Busch stießen. An seine Stelle trat Lieutenant Piet Lapping. Sein Hemd war voller Schweiß- und Ascheflecken, die Hosen verknittert. Durch den Schlafmangel sah sein Gesicht inzwischen aus wie ein Säckchen Murmeln, das man in einen weißen Nylonstrumpf gesteckt hatte.
»Lieutenant Lapping.« Emmanuel konnte den entnervten Zorn des anderen förmlich riechen, denn
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