Ein schöner Ort zu sterben
Abgeschiedenheit oder weil die verschiedenen Rassen so nah aufeinander hockten, dass das Gefühl der Macht über andere eine solche Verlockung darstellte? Sogar er selbst hatte draußen in der Steinhütte beinahe über Davidas nasses Haar gestreichelt, weil er von dem erregenden Wissen gekostet hatte, dass sie in seiner Gewalt war und seine Geheimnisse bewahren würde. War dieses Machtgefühl nicht eigentlich dasselbe wie die Idee des weißen Induna, die die National Party inzwischen zum Gesetz erklärt hatte?
»Haben Sie Anton je von dieser Ähnlichkeit mit dem Täter erzählt. Oder ihn gefragt, woher der Eukalyptusgeruch kam?«
»Drei oder vier Tage später kam Captain Pretorius wieder, und danach fiel es mir schwer, noch mit Anton zu reden. Ich weiß nicht, was es für ein Geruch war, und der Captain hat ihn nie wieder erwähnt.«
»Haben Sie ihn immer ›Captain‹ genannt?« Die Antwort interessierte ihn.
Ihre Aufmüpfigkeit war wie weggeblasen. Jetzt fixierte Davida wieder den geheimnisvollen Punkt vor ihrem rechten Fuß. »Vorher und während wir dabei waren, wurde er gern Captain genannt. Und danach Willem.«
Schön und gut. Wenn man eine Beziehung zu einem hochmoralischen Holländer mit einer Vorliebe für Pornografie und Ehebruch einging, kam man wahrscheinlich um ein schwindelerregendes Maß an Verstrickungen und skurrilen Gepflogenheiten nicht herum. Emmanuel schaute sich noch einmal im Zimmer um. Das nachlässig gemachte Bett und die über dem lackierten Zementboden tanzenden Staubflocken fielen ihm auf. Zu Hause hatte der Captain wahrscheinlich soviel Sauberkeit bekommen, wie er sich nur wünschen konnte. Hierher kam er dann, um sich in Schlampigkeit und Schmutz zu suhlen.
»Haben Sie den Captain auch in seiner Steinhütte besucht?«, fragte er. Die Hütte war genauso peinlich sauber gehalten worden wie das verschlossene Büro in dem mustergültigen Burenhaushalt, allerdings ohne die Hilfe eines Hausmädchens.
»Ja.«
»Wenn Sie ihn nicht mehr Captain nannten, sondern Willem, haben Sie dann auch für ihn saubergemacht?«
Jetzt blickte sie ihn wieder an, und die grauen Augen sprühten vor Zorn. »Ich bin keine Dienstmagd.«
Nein, sie war keine Dienstmagd und auch sonst nicht gerade ein Putzteufel. Irgendjemand hatte die Hütte aber gewienert wie eine Krankenhausstation. Das Einzige, was noch gefehlt hätte, wäre der stechende Desinfektionsgeruch gewesen. »War der Captain pingelig, was die Einrichtung der Hütte anging?
Ich will damit sagen: Hatte er für alles seinen eigenen Platz, und räumte er ständig auf?«
»Nein. Auf Ordnung legte er keinen besonders großen Wert.«
»Jedenfalls nicht hier in Ihrem Zimmer und nicht in seiner Hütte«, warf Emmanuel ein. In jeder anderen Hinsicht hatte Willem Pretorius allerdings größten Wert auf Ordnung gelegt. Das makellos weiße Haus mit der makellos weißen Frau, die gestärkte Polizeiuniform und die makellos reinen Unterhemden waren allesamt äußere Zeichen seiner makellos reinen Seele. Die Kehrseite der Medaille war der dunkle Willem gewesen, der sich nackt und mit einem breiten Grinsen im Gesicht auf einem ungemachten Bett räkelte. Warum war die Hütte so sauber gewesen? Der Captain hatte ja wohl kaum Besucher erwartet.
»Was haben Sie in der Hütte gesucht?«, fragte Emmanuel.
»Die Fotos.« Nervös reckte Davida die Schultern vor. »Ich wollte nicht, dass jemand sie findet.«
»Hat Ihre Mutter die Hütte saubergemacht, Davida?«
»Nein.«
»Was hat Ihr Vater von Ihrer Beziehung mit dem Captain gehalten? War er einverstanden?«
Das brachte Davida aus der Fassung. Entsetzt hielt sie sich eine Hand vor das knallrote Gesicht. »Wovon reden Sie überhaupt? Mein Vater ist gestorben, als ich noch ein Kind war. Bei einem Unfall auf der Farm.«
Emmanuel hörte ihr heftiges Atmen und sah, wie sie nervös mit den Händen vor ihrem Gesicht herummachte, um es zu verbergen. »Ich dachte, Willem Pretorius hätte mit Ihrem Vater verabredet, einen Brautpreis für Sie zu zahlen.«
»W … was?«, stammelte sie. »Wo haben Sie das denn her? Das ist eine Lüge.«
»Welche Lüge meinen Sie? Die über den Brautpreis oder die, dass Ihr Vater tot ist?«
Im Nu verbarg Davida ihre Angst und Verwirrung hinter der Maske der scheuen braunen Maus, die sie zu ihrem Schutz trug. »Ich habe Ihnen über Captain Pretorius und mich die Wahrheit gesagt. Ich habe Ihnen sogar gesagt, was wir gemacht haben, als er erschossen wurde. Warum sollte ich Sie jetzt
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