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Ein schöner Ort zu sterben

Ein schöner Ort zu sterben

Titel: Ein schöner Ort zu sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malla Nunn
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des Felsvorsprungs in der Bergwand klaffte.
    »Sergeant …«, meinte Hansie.
    »Schhhh«, brachte Emmanuel den jungen Polizisten zum Schweigen. »Warten Sie hier und halten Sie auf dem Pfad Wache. Wenn irgendjemand hochkommt, rufen Sie mich, verstanden?«
    »Ja. Rufen.«
    »Gut.« Zum ersten Mal seit seiner Ankunft in Jacob’s Rest öffnete Emmanuel das Halfter an seiner Hüfte und zog seinen Webley-Revolver Kaliber .38 Spezial heraus. Mit Shabalala an seiner Seite überquerte er geduckt den Felsvorsprung und lauschte dabei angestrengt auf Stimmen oder das Klicken eines Abzugshahns. Eine gespenstische Stille folgte ihnen in die Höhle.
    Schnell verschaffte sich Emmanuel einen Überblick über das Innere und steckte dann seine Waffe weg. Die Höhle bildete ein Oval und war groß genug, dass ein ganzer Trupp von Voortrecker-Scouts darin einen Liederabend hätte veranstalten können. Im diffusen Nachmittagslicht konnte man einen Lagerplatz erkennen. Der Anblick machte Emmanuel nervös. In der Mitte waren als Schlafgelegenheit eine graue Decke und ein dünnes Laken ausgerollt. Daneben standen eine Laterne und ein Eimer mit Wasser. Auf einem flachen Stein, der als Tisch diente, stand ein Behälter mit Zwieback, in Streifen geschnittenem Trockenfleisch und zwei Tellern und Tassen aus emailliertem Blech. Auf einem leeren Rucksack lagen wie auf einem Altar eine geöffnete Bibel, eine Schachtel Kerzen und ein aufgewickeltes Seil.
    »Wo stecken sie?«, fragte Emmanuel. Die Höhle war häuslich hergerichtet. Es gab einen Platz zum Schlafen, einen Essplatz und – wofür auch immer – die Bibel und das Seil. Es sah ganz danach aus, als hätte der Junge die Absicht gehabt, in seiner versteckten Privatkapelle zu übernachten und vielleicht sogar längere Zeit zu bleiben.
    »Ich gehe nachsehen.« Shabalala untersuchte die Spuren am Boden und trat dann aus der Höhle, um draußen weiterzusuchen. Schon bald kehrte er zurück.
    »Sie sind über den schmaleren Steig an eine Stelle mit einem Wasserfall gelaufen. Im Moment müsste es dort Wasser geben.«
    »Können wir ihnen nach?«
    »Es ist sehr eng. Es geht nur, wenn man hintereinander läuft. Ich kann Sie hinbringen.«
    »Dann los«, sagte Emmanuel. »Ich will nicht noch eine Wasserleiche riskieren.«
    Er folgte seinem Kollegen hinaus auf den Pfad, der sich wie eine Schlange den Berg hinabwand. Noch am Eingang der Höhle hörten sie jemanden mit tiefer, wohl klingender Stimme ein holländisches Kirchenlied singen. Wie angewurzelt blieben sie stehen, dann sprangen sie zur Seite und hockten sich zusammen mit dem halbwüchsigen Constable, dessen konsterniertes Gesicht hochrot glühte, hinter einen stacheligen Busch.
    »Was ist los?«, fragte er.
    »Egal, wer gleich auf diesem Pfad auftaucht«, befahl Emmanuel ihm, »ich will keinen Ton von Ihnen hören. Keinen Mucks, verstanden?«
    In diesem Moment stolperte Davida Ellis barfüßig hinaus auf den Felsvorsprung. Die Arme hatte sie wie zum Schutz vor der Brust gekreuzt. Sie war klatschnass, ihr hellgrünes Kleid klebte an der braunen Haut. Wassertropfen tropften auf den Fels und bildeten zu ihren Füßen eine Lache. Trotz der angenehmen Frühlingswärme zitterte sie.
    Einen Schritt hinter ihr tauchte mit nacktem Oberkörper Louis Pretorius auf. Über seiner Schulter lag ein Gewehr wie bei einem eingeborenen Fährtensucher. Immer noch singend, rubbelte er sich mit einem Taschentuch das Gesicht und die Haare trocken, dann schob er es wieder in die Tasche seiner feuchten Nietenhose. Die Worte des kapholländischen Kirchenliedes stiegen in den Himmel empor, als seien sie auf direktem Wege zum Allmächtigen. Louis besaß nicht nur das Antlitz, sondern auch die Stimme eines Engels.
    Er hörte auf zu singen und berührte leicht Davidas Schulter. Sie zuckte zusammen, doch er bemerkte es gar nicht.
    »Und ich will reines Wasser über euch sprengen, dass ihr rein werdet. Hesekiel 36, Vers 25«, sprach er in ihr Ohr. »Fühlt sich gut an, gereinigt und ein neuer Mensch geworden zu sein, nicht wahr?«
    Seine Hand wanderte zu ihrem Hals, und die Finger glitten über ihre zarte Haut. »Gott hört uns besser, wenn wir laut reden und unsere Stimme erheben.«
    Emmanuel ließ Louis nicht aus den Augen und bereitete sich darauf vor, über den Felsvorsprung zu sprinten, sobald sich die Finger des Jungen um Davidas Hals legten.
    »Pahhh …« Hansie stieß einen fassungslosen Laut aus, der auf seinem Weg immer weiter anschwoll und schließlich von den

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