Ein schöner Ort zu sterben
musste darüber wachen, wie sehr er sich in Sünde verstrickt hatte, um zu wissen, wie weit er vom rechten Wege abgekommen war.«
»Und Spaß hat es Ihnen keinen gemacht?« Emmanuel sah, wie sich Davida heftig atmend an der Felswand abstützte. Sie zitterte immer noch und stand offensichtlich unter Schock. »Es hat Ihnen kein Vergnügen bereitet, Ihren Vater beim Sex mit der Frau zu beobachten, an die Sie sich selbst letzten Dezember herangemacht hatten? Wie oft haben Sie über Ihren Vater gewacht, als er vom rechten Wege abkam, Louis?«
»Ich kann mich nicht mehr erinnern«, sagte der Junge leise. Das Thema war ihm unangenehm.
»Aber einmal hat nicht gereicht, was? Als Sie Ihren Vater mit der dunkelhäutigen Frau sahen, wussten Sie doch ganz genau, dass es eine Sünde war, die da gerade begangen wurde. Dafür brauchten Sie es sich doch nicht noch ein zweites und drittes Mal anzusehen.«
»Ich habe über ihn gewacht. Vergnügen hat es mir nicht bereitet.«
»Wirklich nicht?« Emmanuel wusste, dass er den Tiger am Schwanz hatte, und er würde ihn so lange durchschütteln, bis er seine Lunge ausspie. »Dass Sie etwas mit ›w‹ gemacht haben, glaube ich Ihnen aufs Wort, aber gewacht haben Sie nicht. Sie hatten genauso einen Heidenspaß wie Ihr Vater, nur eben aus der Ferne.«
»Shabalala.« Der halbnackte Junge appellierte an den schwarzen Polizisten. »Du kennst meine Familie. Wir sind von reinem Burenblut. Du bist von reinem afrikanischen Blut. Diese ganze Sache haben uns doch nur die dazwischen eingebrockt, die mit dem unreinen Blut. Stimmt das etwa nicht?«
»Dein Vater war rein. Und diese Frau ist auch rein. Als sie zusammen waren, haben sie nichts Unrechtes getan«, erwiderte der Zulu.
»Das kann doch nicht dein Ernst sein.« Shabalalas ruhige und gar nicht anklagende Antwort hatte Louis aus der Bahn geworfen. »Sie ist der Grund dafür, dass mein Vater in die Irre gelaufen ist und umgebracht wurde. Sie trägt den Makel in sich.«
»Diese da war die Nebenfrau deines Vaters, und ich sage dir noch einmal, sie haben nichts Unrechtes getan. Dein Vater hat nach der alten Sitte um sie geworben. Er wollte weder, dass man sie zu seinen Lebzeiten respektlos behandelt, noch jetzt, wo er tot ist.«
Shabalalas Vorwurf ließ Louis erröten, doch die Waffe senkte er deshalb nicht. »Unser Volk darf nicht nach euren eingeborenen Bräuchen leben. Unser Gott erlaubt uns nicht, dass wir unseren Körper mit dem eines niederen Geschöpfes besudeln. So steht es geschrieben.«
Emmanuel registrierte, dass die immer noch zitternde Davida sich Zentimeter um Zentimeter an der Felswand entlanggeschoben hatte, sie war jetzt schon mehr als eine Armeslänge von dem halbwüchsigen Propheten entfernt. Er trat vor und zog Louis’ Aufmerksamkeit auf sich.
»Haben Sie eigentlich Ihrem Vater je Gelegenheit gegeben, hier herzukommen und seine Sünden im Wasserfall abzuwaschen?«, fragte er.
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Es gab nie den richtigen Zeitpunkt, um so etwas vorzuschlagen. Ich wusste nicht, wie ich ihm sagen sollte, dass ich über sein Treiben Bescheid wusste.«
»Tja …« Emmanuel dachte einen Moment nach. »Warum nicht zum Beispiel, wenn Ihr Vater gekommen und Sie beide befriedigt und mit der ganzen Welt im Reinen waren? Sie hätten ihn doch draußen auf dem Kaffernpfad abpassen und sich vor dem gemeinsamen Gebet noch ein bisschen mit ihm austauschen können.«
»Sie sind nichts weiter als ein unflätiger Engländer. Zu schade, dass meine Brüder Sie nicht erwischt und Ihnen eine Lektion erteilt haben.«
Emmanuel zuckte mit den Achseln und blickte über den Felsvorsprung hinaus auf die endlose Landschaft. Davida war nur noch Zentimeter vom sicheren Höhleneingang entfernt.
»An ihren Taten sollte ihr sie erkennen.« Aus den tiefsten Tiefen seines Gedächtnisses kramte er ein Bibelzitat hervor. »Was werden wohl die Geschworenen von einem Afrikaander-Jungen denken, der ein farbiges Mädchen entführt hat?
Glauben Sie wirklich, Ihre Glaubensbrüder werden kapieren, dass Sie sie nur abgeschrubbt haben, um sie reinzuwaschen, und Ihrem Vater nur heimlich beim Geschlechtsverkehr mit ihr zugeschaut haben, um Zeuge vor Gott zu sein?«
»Gott ist mein Stecken und mein Stab. Es ist nicht an den Menschen, darüber zu urteilen, was ich getan habe.«
»Die Zeiten haben sich geändert, Louis. Als Sie Ihren Vater beiseitegeschafft haben, haben Sie damit den einzigen Menschen erledigt, der sogar bereit war, das Gesetz zu brechen,
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