Ein schöner Ort zu sterben
Ortskenntnis sind alles, worauf Sie setzen können, Detective. Also sollten Sie los, und zwar schnell«, riet Zweigman. »Die Männer in der Polizeistation würden nicht mal ihren Griffel fallen lassen, um sich auf die Suche nach einem farbigen Mädchen zu machen.«
»Außer sie wäre eine Kommunistin«, antwortete Emmanuel und wandte sich dem Riesen zu, der neben ihm stand. Ohne Shabalalas Hilfe war er aufgeschmissen.
»Wir müssen meinen Wagen holen und dann raus zu Kings Farm fahren. Sind Sie noch dabei?«
»Bis zum Ende«, antwortete Shabalala.
18
In der Hoffnung, dass die bewaffneten Pretorius-Brüder sich immer noch auf dem Kaffernpfad herumtrieben, riskierten sie es auf den Straßen. Nichts rührte sich, als sie sich auf die Piet Retief Street wagten und an den Geschäften der Weißen vorbeischlichen. Die Werkstatt war zwar geöffnet, aber im Augenblick nur von dem alten farbigen Mechaniker besetzt, der von seinem schattigen Plätzchen aus den schwarzen Jungen an den Zapfsäulen Anweisungen zurief. Keine Spur vom explosiven Erich, ebenso wenig wie von Henrick bei Pretorius Farm Supplies.
Ein mit großen rostigen Pflugscheiben beladener Chevy-Laster bot ihnen ausreichend Deckung, um an der Wache vorbei auf die unbefestigte Straße zu kommen, an der das Protea Guesthouse lag. Während er und Shabalala den Hof überquerten, griff Emmanuel in seine Tasche und holte den Wagenschlüssel hervor. In den silbernen Radkappen des schwarzen Packard spiegelte sich die Sonne. Ein Zweig knackte, und der Zulu-Constable erstarrte wie eine Katze und ließ einen schnellen prüfenden Blick über den Hof streifen. Er winkte Emmanuel hinter den Kofferraum. Sie kauerten sich hinter den Wagen wie schon vor Donny Rookes Bruchbude. Dann knackte noch ein Zweig, und der schwarze Polizist atmete leise aus.
»Hinter dem Jacarandabaum ist jemand«, raunte er. »Wir müssen schnellstens hier weg.«
Emmanuel schaute sich nach ihrem Fluchtweg um. Er war frei. Er nickte Shabalala zu. Sie drückten sich von der Stoßstange ab und rannten geduckt auf den getünchten Zaun und den unbefestigten Weg zu, der gegen den Staub frisch gesprengt war.
»Los, los.« Es war Paul Pretorius, der ganz im Stile eines Kommandosoldaten seinem Untergebenen Befehle zubrüllte.
Weiter vorne sah Emmanuel Johannes hinter dem Zaun hervortreten und mitten auf der Einfahrt Posten beziehen. Hinter sich hörte er das Scharren von Soldatenstiefeln im Kies. Shabalala trennte sich von ihm und lief nach rechts, Emmanuel nach links. Gemeinsam preschten sie in vollem Lauf auf den überrumpelten Johannes zu. Die Pretorius-Brüder hatten damit gerechnet, Emmanuel sei allein, und ihr planloser Angriff zeigte, dass sie einen englischen Detective für leichte Beute hielten.
»Lass sie nicht durch!«, rief Paul Pretorius.
Als Johannes ihm den Weg versperren wollte, kamen wie aus einer dunklen Grube in Emmanuel wieder die Erinnerungen an brutale Rugby-Trainingseinheiten und blutige Spiele auf irgendwelchen gottverlassenen Spielfeldern hoch. Mit ausgestrecktem linkem Arm schlug er Johannes heftig gegen die Brust und hörte das befriedigende Knirschen im Kies, als der vierte Sohn des Captains zu Boden ging. Da hat mir die harte Hand der Schulmeister Strijdom und Voss am Ende doch tatsächlich noch etwas eingebracht, dachte er.
»Hier entlang.« Shabalala rannte über den heißen Asphalt der Piet Retief Street und auf den gegenüberliegenden Kaffernpfad. Aus der Richtung von Pretorius Farm Supplies fiel ein Schuss, der ihnen noch mehr Beine machte. Jetzt hatten sie den gesamten Pretorius-Clan am Hals.
»Hier rein.« Shabalala riss zwei Latten aus einem baufälligen Zaun, und sie krochen in einen kleinen Hof, in dessen Mitte eine Räucherhütte stand. Der Gartenjunge, ein Mann mit milchigen Augen, eingefallenen Wangen und aschgrauem Haar, sah erschrocken auf.
Shabalala legte einen Finger an die Lippen, und der alte Mann machte sich wieder daran, Unkraut zu jäten, als sei nichts passiert.
»Peter?«
»Ja, Missus?«, antwortete der Gartenjunge Peter, während Emmanuel und Shabalala sich hinter dem Räucherhaus versteckten. Sie drückten sich an die rostige Eisenwand und warteten darauf, dass im nächsten Moment entweder die Pretorius-Söhne oder die neugierige weiße Missus auftauchten.
»Was war das, Peter? Ich dachte, ich hätte etwas gehört.«
»Das war nur der Wind, Missus.«
»In Ordnung.« Die Stimme wurde schwächer, die Missus verschwand wieder im Wohnzimmer.
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