Ein schöner Ort zu sterben
Versteck auf dem Berg herausgefunden und ihm die Nebenfrau des Captains weggenommen hat. Sie haben sie angefasst, und das gefällt ihm nicht.«
»Ich habe nichts dergleichen getan.«
»Sie haben ihr seine Decke umgelegt. Das meinte ich damit, Nkosana.«
»Also gut …«, sagte Emmanuel nach einigen Sekunden betretenen Schweigens. Wie konnte ein Kadaver etwas über das Gespräch in Davidas Zimmer wissen oder darüber, dass ihm heiß und kalt geworden war, als er sie so nah an dem schmiedeeisernen Bett hatte stehen sehen?
»Was sollen wir tun, Shabalala? Ich sehe keine Möglichkeit, wie wir uns den Ärger mit Louis vom Hals halten können.«
»Wir müssen seiner Mutter sagen, wo er ist. Wenn wir das tun, geht es für uns vielleicht nicht so schlimm aus.«
»Sobald wir dort angekommen sind, wo sein Leichnam untersucht wird«, versprach Emmanuel, »rufe ich seine Mutter an und sage ihr, wo ihr Sohn ist.«
»Das ist gut.« Shabalala machte immer noch einen besorgten Eindruck. »Ich werde es ihm sagen, und wenn er mich verstehen kann, wird er nicht mehr verlangen, dass es noch mehr Blutvergießen gibt.«
»Das wäre nett«, bemerkte Emmanuel und wandte sich zum Haus. Weniger Blutvergießen. Drei Jahre lang hatte er sich nichts sehnlicher gewünscht als das. Und dann war er nach Hause gekommen und hatte ausgerechnet wieder bei der Firma des Todes angeheuert.
Emmanuel las sich die handgeschriebene Zeugenaussage ein zweites Mal durch und sah Davida dann über den Tisch hinweg an. Sie war rot geworden und schien sich unwohl zu fühlen, so als sei es ihr am Ofen plötzlich zu heiß geworden. Mrs. Ellis wachte über ihre Tochter wie ein Schutzengel, der Angst hat, einen wichtigen Einsatz zu verpatzen.
»Kommen wir noch mal zu dem Mann am Fluss. Sind Sie sicher, dass Sie nicht gesehen haben, wer es war?«
»Ja.«
»Kannten Sie den Mann, der Captain Pretorius erschossen hat, Davida?«
»Nein.« Sie blieb eisern. »Ich habe nicht gesehen, wer es war. Ich weiß nicht, wer es war.«
»Er hat sich doch angehört wie der, der Sie belästigt hat, nicht wahr? Und wie jemand, der seine Stimme verstellt.«
»Ja.«
»Louis hat zugegeben, dass er derjenige war, der Sie belästigt hat«, bemerkte Emmanuel. »Aber er hat abgestritten, seinen Vater getötet zu haben.«
»Glauben Sie diesem verrückten Holländer etwa mehr als mir?« Ihre grauen Augen sprühten vor Zorn. »Die Weißen sagen immer die Wahrheit, das ist es doch, was ihr Polizisten glaubt. Da ist es ja nicht schwer, einen Verbrecher zu fassen. Um die Beweise braucht man sich gar nicht zu scheren, man schaut sich einfach nur die Hautfarbe an.«
Zum ersten Mal fiel ihm ihre Aussprache auf. Vielleicht nicht gerade die einer höheren Tochter, aber jedenfalls die einer Tochter, die unbedingt höher hinauswollte.
»Wo sind Sie zur Schule gegangen, Davida?«
»Was?«
»Sagen Sie mir, wo Sie zur Schule gegangen sind.«
»Auf die Stonebrook Academy?« Sie überlegte einen Moment. »Warum?«
»Ihre Aussprache … ist sehr … elegant.«
»Und?«
»Wieso hocken Sie hier in Jacob’s Rest und arbeiten für den alten Juden und seine Frau in diesem kleinen Klamottenladen?«
»Meine Granny und meine Mutter wohnen hier«, antwortete sie. »Ich bin zurückgekommen, damit ich bei ihnen sein kann.«
»Aber aus Ihnen sollte doch ganz bestimmt etwas Besseres werden? So eine feine Aussprache kostet eine Stange Geld.«
»Schneidern macht mir Spaß.«
»Sind Sie durch die Abschlussprüfung gefallen, Davida?«
Sie starrte ihn wütend an, beschloss dann aber, diese Beleidigung ihrer Intelligenz nicht zurückzuweisen. Plötzlich wurde es klar, wie gefährlich ihre Antworten für sie sein konnten. Also schwieg sie.
»Erzähl es ihm, Davida.« Mrs. Ellis warf sich für ihre Tochter in die Bresche. »Sie hat mit Bravour bestanden und wurde zur University of the Western Cape zugelassen. Klassenbeste in vier Fächern.«
»Und was ist dann passiert?«
»In den Weihnachtsferien kam sie Granny und mich besuchen und beschloss, ein Jahr dazubleiben. Aber nächstes Jahr geht sie zur Universität. Nicht wahr, Davida?«
Emmanuel beugte sich zu Davida vor. Er verstand nur zu gut, wie ihr die ganze Zeit zumute gewesen war, die sie in Gesellschaft des alten Juden und seiner Frau verbracht und gelesen und von der Welt da draußen geträumt hatte. Ihm war es im Internat ja ganz genauso gegangen. Über die staubigen Felder hinweg hatte er auf die Welt geschaut, die dahinter lag.
»Sehen
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