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Ein schöner Ort zu sterben

Ein schöner Ort zu sterben

Titel: Ein schöner Ort zu sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malla Nunn
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Südafrika wusste und nicht etwa in Surrey.
    »Schauen Sie sich das hier mal an.« King zog im Büro eine Schublade auf und holte einen Stapel vergilbter Papiertüten hervor. »Lesen Sie und sagen Sie mir, was Sie davon halten.«
    Jede Tüte trug eine verblasste, aber immer noch leserliche Aufschrift. »Fruchtbarkeit bei Vollmond«, las Emmanuel laut vor. »Nach Mitternacht auf den Erdwall des Kraals schütten.«
    »Weiter.« King war offensichtlich ganz begeistert von seinem Fund.
    »Frühlingsregenmacher. Einen Tag nach der Aussaat in das am höchsten gelegene Feld eingraben.« Rasch blätterte Emmanuel die restlichen Umschläge durch. Alle waren mit einer mystisch anmutenden Gebrauchsanweisung versehen. »Das ist Schwarze Magie, irgendwelche Zaubermittelchen. Die Eingeborenen schwören auf so was.«
    »Nicht nur die Eingeborenen. Die Tüten haben wir gefunden, als wir das Haus ausgeräumt haben. Sie gehörten dem alten Pretorius, dem Vater des Captains.«
    Weißer Polizist übt sich in Schwarzer Magie: Für die englischen Zeitungen wäre so etwas ein Fressen gewesen.
    »Nachdem ich sie fand, habe ich meinen Fahrer Matthew über Pretorius senior ausgefragt.« King steckte die Umschläge zurück in die Schublade und begab sich zurück zur Veranda. »Er wurde früh Witwer und lebte danach hier draußen ganz allein mit seinem Sohn. Die anderen Buren hielten ihn für verrückt und mieden ihn offenbar. Diese ganze Schnapsidee vom Stamm der weißen Buren in Afrika hat er Wort für Wort geglaubt.«
    »Das tun viele«, merkte Emmanuel an. »Genau genommen sogar zwei Drittel der gegenwärtigen Regierung.«
    »Mag sein. Aber wie viele von denen würden ihrem Sohn einen schwarzen Kameraden zur Seite stellen, damit er die Lebensweise der Eingeborenen kennenlernt? Wie viele würden ihren Sohn im Alter von vierzehn bis achtzehn zu einem Zuluamabutho ausbilden und ihn dabei sämtliche Qualen erleiden lassen, die dieser Drill mit sich bringt?«
    »Das hat Pretorius gemacht?«
    »Offenbar rannten er und Shabalala damals fünf oder sechs Mal hintereinander barfuß von einem Ende der Farm bis zum anderen, ohne auch nur einmal anzuhalten oder zu trinken. Das war wirklich ein Anblick, sagt Matthews. Denen, die sich noch an die alten Zeiten erinnern, treibt es immer noch die Tränen in die Augen. Das Geschrei der Zulukrieger, der Impi, die wie ein Donnerhall durch den Busch stürmten.« Mit einem nostalgischen Seufzer sank King auf seinen Lehnstuhl.
    Emmanuel sah hinaus auf den weiten Himmel und die sanften Hügel, die das Stammesgebiet der Eingeborenen gewesen waren und jetzt zu Kings kleinem Königreich gehörten. Woher nur kam diese eigentümliche Leidenschaft der Briten zu den Völkern, die sie im Krieg bezwungen hatten?
    »Und dieser Kamerad war Constable Shabalala?«
    »Genau. Shabalalas Vater war ein Zulu. Er hat die beiden ausgebildet.«
    »Und warum hat der alte Pretorius das gemacht?«, fragte Emmanuel. Die meisten Weißen leiteten ihren Führungsanspruch doch einfach ganz selbstverständlich aus ihrer Geburt ab.
    »Das ist ja gerade das Groteske an der Sache.« King fand augenscheinlich großen Gefallen daran, über die Schrulligkeiten der Buren zu reden. »Der alte Pretorius fand, der weiße Mann müsse sich den Eingeborenen in allen Dingen als überlegen erweisen. Er hat seinen Sohn zu einem weißen Induna erzogen, einem Häuptling im besten Wortsinne.«
    Mrs. Ellis kam mit dem Teetablett heraus und stellte es auf das Tischchen zwischen ihnen. Ihre sparsamen Bewegungen verrieten die Körpersprache eines Menschen, der in die Dienerschaft an anderen hineingeboren worden war. Sie reichte King seinen Tee. Weshalb ausgerechnet dieser hellhäutige Engländer so tat, als seien die Tage der weißen Häuptlinge vorbei, wollte Emmanuel nicht in den Sinn.
    Ganz der dienstbare Geist, verschwand Mrs. Ellis wieder im Innern des Hauses.
    »Wissen Sie, Captain Pretorius kannte jede Pflanze und jeden Baum, den es im Busch gibt«, fuhr King fort. »Er sprach sämtliche Eingeborenendialekte und kannte alle ihre Gebräuche. Anders als die anderen Holländer hier brauchte er keinen Bürohengst in Pretoria, um seinen Führungsanspruch zu rechtfertigen.«
    »Kannten Sie ihn gut?«, fragte Emmanuel. Es war nicht zu übersehen, dass der Engländer Captain Pretorius in dieselbe Kategorie des »geborenen Herrschers« einordnete wie sich selbst. Der Rest der Menschheit, Polizisten eingeschlossen, war nur zum Dienen da.
    »Als wir über den Verkauf

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