Ein schöner Ort zu sterben
Ermittlungen.«
Emmanuel verdrückte sich in Richtung Treppe. Von King und seinen in Leinenklamotten gewandeten Neffen ausgequetscht zu werden war das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte. Außerdem war da ja diese geheime Hütte.
»Wie sind Sie darauf gekommen, mein Onkel könnte irgendetwas über Captain Pretorius wissen?«, fragte Winston.
Verglichen mit den Pretorius-Brüdern war der Junge nur eine halbe Portion. Was ihn mit ihnen verband, war die Selbstverständlichkeit, mit der er annahm, etwas Besseres zu sein. Emmanuel nahm die erste Treppenstufe.
»Nur Routinefragen.« Er ging weiter die Treppe hinunter, doch dann drehte er sich noch einmal zu Winston um. »Was wissen Sie eigentlich über den Mord?«
»Ich?«, fragte Winston bestürzt.
»Ja. Sie.«
»Bitte? Ich habe doch gerade erst davon erfahren.«
»Natürlich.« Emmanuel hielt noch einen Moment inne, um Winstons kurzes Unbehagen voll auszukosten, dann wandte er sich King zu. »Nochmals danke für Ihre Hilfe.«
An dem Jaguar vorbei marschierte er zu seinem Packard, der neben seinem teuren englischen Vetter einfach nur grobschlächtig und viel zu groß aussah. Auf dem Beifahrersitz des Sportwagens lagen auch keine weggeworfenen Getränkedosen oder Landkarten. Alles, was Winston King zum Reisen benötigte, waren ein schnelles Auto, eine dicke Brieftasche und ein breites Grinsen. Emmanuel spürte, wie schon wieder seine Abneigung hochkam.
Er schob sie beiseite, legte stattdessen den ersten Gang ein und steuerte den Packard aus der kreisförmigen Einfahrt heraus. Im Rückspiegel sah er, wie Winston im Haus verschwand, während sein Onkel sich noch eine Tasse Tee nachgoss.
Bedächtig suchte Elliot King sich noch ein Stück Kuchen aus und sah dem davonfahrenden Detective hinterher. Dann läutete er mit seinem Silberglöckchen.
»Mr. King?« Die Haushälterin trat auf die Veranda.
»Bring Davida her!«, sagte er. »Ich will mit ihr reden.«
Emmanuel entdecke den Zaun am Ende des lehmroten Weges. Er bestand aus hohen Stecken, die mit Seil und Rindenstreifen vertäut waren. Genauso umzäunten die Eingeborenen ihre Kraale, die wie riesige Pilze in die Landschaft eingebettet waren.
Er stieg aus dem Wagen und lief an der Einzäunung entlang. Der Eingang war nur ein enges Loch, kaum halb so hoch wie ein durchschnittlich großer Mensch. Er befand sich auf der von der Straße abgewandten Hinterseite. Zufallsbesuche waren also offenbar nicht erwünscht. Emmanuel bückte sich und betrat den Kraal wie ein Bittsteller. Direkt vor ihm stand ein steinernes Rondavel, eine runde Hütte mit Strohdach und einer hellblauen Tür.
»Das Refugium des weißen Induna«, murmelte Emmanuel, richtete sich wieder auf und nahm seine Umgebung in Augenschein. Der Eingang der Steinhütte war mit Bedacht auf den Zugang hin ausgerichtet, so dass alle Besucher nur unter den wachsamen Augen des Häuptlings ein- und ausgehen konnten. Selbst hier, mei lenweit von der Stadt entfernt, waren Sicherheit und Überwachung Captain Pretorius noch wichtig gewesen.
Das Wasser eines nahegelegenen Baches plätscherte und gurgelte. Emmanuel verspürte eine tiefe Zufriedenheit. Der Schuppen in Jacob’s Rest war nur die Fassade gewesen, ein Ort, an dem der Captain das zur Schau gestellt hatte, was Familie und Freunde nachvollziehen konnten. Zu seinem eigenen Vergnügen aber kam der Captain hierher, in diesen Kraal, der jetzt unter dem klaren Frühlingshimmel dalag.
Als Emmanuel den Blick über das Gelände schweifen ließ, fielen ihm die Steinhaufen auf, die am Zaun aufgestapelt waren. Wie hatte King noch gleich gesagt? »Als er anfing zu bauen … « Das würde die blasigen Hände und die sehnigen Muskeln erklären, die sie bei der Untersuchung der Leiche festgestellt hatten. Pretorius hatte diese Hütte selbst gebaut, Stein für Stein.
Emmanuel schob die hellblaue Tür auf und spähte blinzelnd in das schummrige Innere. Es gab zwei Fenster, deren Vorhänge jeweils zugezogen waren. Er ließ die Tür offen, um etwas sehen zu können, und trat ein. Während er die Vorhänge aufzog und sich umsah, schlurften seine Schuhe über Kuhfelle. Für das Schlupfloch eines kernigen Mannes war das, was Emmanuel sah, beinahe peinlich sauber. Alles war aufgeräumt. Die Betten waren gemacht, die Teller gespült und auf der Anrichte gestapelt, der kleine Tisch war abgewischt. Selbst seine Tante Milly hätte nichts dagegen einzuwenden gehabt, hier einen Nachmittag zu verbringen. »Na komm schon«, knurrte
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