Ein schöner Ort zu sterben
wischte sich Mund und Hände an seinem sauberen Taschentuch ab. Miss Byrd war genau die Person, die er brauchte.
»Ich wäre dankbar, wenn Sie mich ihr vorstellen könnten«, sagte er.
Die Stadt döste im sonntäglichen Nachmittagsschlaf dahin. Alle Geschäfte waren geschlossen und die Straßen menschenleer. Nur ein streunender Hund humpelte von der Piet Retief Street auf einen Kaffernpfad, der an Pretorius Farm Supply entlangführte. Emmanuel kam an Kloppers vorbei und konnte seine eigenen Schritte auf dem Bürgersteig hören. Er blieb stehen und lugte hinein. Derbe Farmerstiefel und stupsnasige Treter für Schüler gruppierten sich um ein Paar hochhackiger Schuhe mit Diamanten an den Fersen. Die roten Riemchenschuhe standen mitten in der Auslage wie ein glühendes Herz. Die Bestellung für die roten Pumps konnte nur jemand aufgegeben hatten, der mit Traumbildern von Tanzvergnügen und Champagner die staubige Realität des Lebens in Jabob’s Rest kurzfristig ausgeblendet hatte.
Als er sich der Wache näherte, verlangsamte Emmanuel seine Schritte. Vor dem Gebäude stand mit heraufgerollten Fenstern und verriegelten Türen der Chevrolet der Geheimpolizei. Ein Mann mit spitzem Gesicht und scharf abrasierten Koteletten saß auf der Veranda und stierte über die leere Hauptstraße. Den Schlips hatte er bis zum Bauchnabel aufgezogen und die Hemdsärmel bis über die Ellbogen gerollt, so dass ein rosafarbener Streifen sonnenverbrannter Haut zum Vorschein kam. Lieutenant Uys war aus seinem Urlaub in Mosambik zurückgekehrt.
Langsam stieg Emmanuel die Treppe hinauf, damit der Mann ihn rechtzeitig bemerkte.
»Lieutenant Uys?« Er streckte dem anderen die Hand hin. »Detective Sergeant Emmanuel Cooper, Marshal Square CID.«
»Lieutenant Sarel Uys.« Der Leutnant erhob sich für die förmliche Begrüßung, und Emmanuel spürte den kurzen, kräftigen Druck sehniger Finger um seine Hand. Sarel Uys konnte nur knapp die für den Polizeidienst vorgeschriebene Mindestgröße erreicht haben, was wohl auch den demonstrativ festen Händedruck erklärte.
»Haben Sie es schon gehört?«, fragte Emmanuel.
»Vor ungefähr einer halben Stunde.« Der Lieutenant ließ sich wieder auf seinen Stuhl fallen. »Ihre Freunde haben es mir gesagt.«
Emmanuel ignorierte den Hinweis auf die Security Branch und musterte rasch das sonnenverbrannte Gesicht des Lieutenants. Tiefe Falten von den Mundwinkeln bis zum Kinn verrieten dessen Unzufriedenheit.
»Kannten Sie den Captain gut, Lieutenant?«, fragte Emmanuel.
Sarel grunzte. »Der Einzige, der den Captain wirklich kannte, war dieser Eingeborene.«
»Constable Shabalala?«
»Genau der.« Sarel sah aus, als hätte er zum Frühstück eine ganze Kiste Zitronen gelutscht. »Er und der Captain waren dicke Freunde.«
Der kleine Lieutenant Uys war zwischen den beiden Hünen Captain Pretorius und Constable Shabalala eingekeilt und bei der Polizei von Jacob’s Rest die eindeutige Nummer drei, und das schien ihm mehr zu schaffen zu machen als der Mord an dem Captain.
»Sind Sie schon lange hier stationiert?«, fragte Emmanuel und sammelte unauffällig weiter Informationen.
»Seit zwei Jahren«, antwortete Uys. »Vorher war ich in Scarborough.«
»Das war sicher eine ziemliche Umstellung«, bemerkte Emmanuel. Scarborough war ein Traumposten, Polizeibeamte rangelten sich darum, in diese weiße Enklave versetzt zu werden. Wenn sie schlau genug waren, knüpften sie dort ein paar Freundschaften zu einflussreichen Leuten und verließen Scarborough erst wieder, um den Ruhestand an einem sonnigen Plätzchen zu verbringen. Eine Versetzung von Scarborough nach Jacob’s Rest roch nach unfreiwilligem Exil. Er musste jemanden im Bezirksdezernat bitten herauszukriegen, welchen Dreck Lieutenant Uys am Stecken hatte, dass man ihn aus einem Badeort auf eine Viehweide versetzt hatte.
Sarel Uys lächelte und zeigte dabei seine Zähne, die nicht größer waren als getrocknete kleine Maiskörner. Einfach alles an diesem Mann war klein und hart.
»Deshalb fahre ich auch immer nach Mosambik oder Durban in den Urlaub«, sagte er. »Das Meer ist mir lieber als das platte Land.«
»Die meisten Leute hier fahren doch ein paar Mal im Jahr nach Mosambik, oder?«
»Alle außer den Eingeborenen«, erklärte Uys. »Die haben es nicht so mit dem Wasser.«
Dass Schwarze kein Wasser mochten, war ein immer wieder gern bemühtes Vorurteil, das erst in dem Moment nicht mehr galt, wenn die Weißen ihre Wäsche gewaschen
Weitere Kostenlose Bücher