Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein schöner Ort zu sterben

Ein schöner Ort zu sterben

Titel: Ein schöner Ort zu sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Malla Nunn
Vom Netzwerk:
Brathähnchen, Linsen und Spinat aufgehäuft. Alle hielten dabei den Blick strikt auf seinen Teller gerichtet.
    Am Ende des Tisches schielte Emmanuel hoch und sah, dass die Letzte der alten Damen ihn offen anstarrte. Er nickte der Frau grüßend zu. Die hellgrünen Augen in ihrem dunklen Gesicht flammten auf wie Leuchtfeuer. Ihr krauses graues Haar, das zu einem nachlässigen Knoten geflochten war, hatte den heißen Kamm noch nie zu spüren bekommen.
    »Haben Sie einen von unseren Leuten wegen des Mordes am Captain im Verdacht?« Nichts an der direkten Art der alten Frau verriet auch nur die geringste Rücksicht auf die Tatsache, dass hier eine farbige Frau mit einem weißen Gesetzesvertreter sprach. Auf dem Kirchhof wurde es still.
    Emmanuel blickte die Frau lächelnd an. »Eigentlich bin ich da, weil ich gern einen Schlag von Granny Mariahs Curry hätte«, sagte er. »Ist noch etwas da?«
    »Hmm …« Sie griff unter den Serviertisch und holte eine silberne Schüssel hervor. »Sie haben Glück, dass wir was für Anton aufbewahrt haben.«
    Die respekteinflößende alte Dame verteilte das Curry in zwei Portionen auf die Teller. Die Gespräche setzten wieder ein.
    »Danke«, sagte Emmanuel und wandte sich der Gemeinde zu.
    »Am besten essen wir da drüben«, schlug der Mechaniker vor. Sie gingen auf ein rotes Gatter zu und stellten ihre Teller auf der Mauer ab, so weit wie möglich weg von den anderen, aber immerhin noch auf dem Kirchhof.
    Emmanuel sah hinüber zu der dunkelhäutigen Matrone, die sich gerade daran machte, den Serviertisch abzuwischen. »Wer ist die Frau mit den Katzenaugen?«
    »Das ist Granny Mariah.« Anton lachte. »Mit Ihrer Bemerkung über das Curry hätten Sie ihr beinahe ein Lächeln abgerungen. Das wäre in die Geschichte eingegangen.«
    »Wieso?«
    »Na ja …« Der Farbige gabelte ein Häufchen gelben Reis auf. »Für Männer hat Granny nicht viel übrig. Egal, welche Hautfarbe sie haben. Was sie betrifft, sind wir allesamt nur ein Haufen Narren.«
    »Den Eindruck hatte ich auch«, pflichtete Emmanuel bei. Er tat es Anton nach und langte zu. Schweigend aßen sie, bis ihre Teller halb leer waren.
    Anton wischte sich den Mund. »Wenn Sie wissen wollen, was wirklich vor sich geht, müssen Sie mit Granny Mariah reden. Sie weiß alles. Noch ein Grund, warum Männer in ihrer Gegenwart die Zunge im Zaum halten.«
    Emmanuel musste an Tinys und Theos nächtliche Streiche denken. »Weiß sie auch was über Sie?«, fragte er.
    »Nur das Übliche.« Anton lächelte, und die Goldplombe in seinem Schneidezahn blitzte auf. »Nichts, was jemanden schockieren könnte, der früher Soldat war und gerade als Detective in einem Mordfall ermittelt.«
    »Da bin ich mir nicht so sicher«, gab Emmanuel zurück. »Was gilt denn in Jacob’s Rest noch so alles als üblich?«
    »Ich werde bestimmt nicht der Polizei meine Sünden beichten. Nehmen Sie es nicht persönlich, Sergeant.«
    »Das ist klug«, sagte Emmanuel und blickte hinüber zu den verstreut auf dem Rasen sitzenden Familien. Harry, der Veteran aus dem Ersten Weltkrieg, kam aus dem Margaritenstrauch hervorgekrochen und schnappte sich einen Teller Essen, den man ihm hingestellt hatte. Mit den Händen schaufelte er sich Reis in den Mund, als sei er am Verhungern. Ohne erst groß zu kauen, schlang er alles hinunter.
    »Harry isst nur alle zwei, drei Tage etwas«, versuchte Anton zu erklären. »Dazwischen rührt er nichts an. Keiner weiß, warum.«
    Weil er immer noch im Schützengraben ist, dachte Emmanuel, und weil er hungert, bis die nächste Ration von der Feldküche durchkommt. Mit dem Körper war Harry wieder in Südafrika, doch im Geiste steckte er immer noch knietief im europäischen Morast. Emmanuel kannte das Gefühl.
    »Arbeitet jemand von diesen Leuten beim Postamt?«, fragte er Anton, während er blitzschnell den Teller abschleckte.
    »Miss Byrd.« Der Mechaniker sah zur Kirchentreppe hoch. »Das ist die mit dem Hut.«
    Mehrere Frauen auf der Treppe trugen Hüte, trotzdem erkannte Emmanuel Miss Byrd ohne Probleme. Der Hut, den Anton meinte, war mit seinem prächtigen Getürm aus purpurrotem Filzbesatz und bauschigen Federn allgemeiner Blickfang. Miss Byrds sonntägliche Krone verwandelte sie von einem Spatz in einen stolzierenden Pfau.
    »Was macht sie am Postamt?«
    »Sie sortiert die Post«, sagte Anton. »Außerdem steht sie neuerdings, wo die Weißen ihren eigenen Schalter haben, hinter dem für die Nicht-Weißen.«
    Emmanuel aß zu Ende und

Weitere Kostenlose Bücher