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Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition)

Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maryla Krüger
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vier Meter hohe Felsenklippe. Ich bin dort oft in meiner Kindheit gewesen. Wir sind an dieser Stelle von den Klippen gesprungen. Mein Großvater hat mir erzählt, dass der Geist des Sees diesen Fels angehoben hat, um unter Wasser eine Höhle zu errichten, wo er sich mit den Meerjungfrauen zu einem Stelldichein treffen konnte. Und die Pflanzen hier haben beinahe alle eine mystische Bedeutung. In der Gegend um die alte Kapelle herum wachsen tausend Schlüsselblumen und Weidenbäume. Hüte dich davor, unter diesen Bäumen zu schlafen, denn sonst kann es passieren, dass die Feen dich holen und die Nächte mit dir durchtanzen. Ganz am Ende des Tals liegt der Ossian-Forest. Da ist das Rotwild zu Hause. Es heißt, dass Ossians Mutter dort als Hirschkuh umgeht. Niemand darf dort ungefragt jagen. Und hier vorne, gleich hinter dem alten Küchentrakt, ist Millys Gemüse- und Kräutergarten. Ihr ganzer Stolz. Hüte dich, ihn zu betreten, sonst setzt es was mit dem Nudelholz.“ Rupert lachte. „Aber, geh, und sieh dir alles an. Es gibt genügend Wanderwege.“
    „Das habe ich auf jeden Fall vor“, antwortete ich. „Wie groß ist das alles eigentlich?“
    Rupert nahm die Pfeife aus dem Mundwinkel und wies in die Ferne. „14.000 Acres. Das sind knapp 6.000 Hektar.“
    Ich riss die Augen auf. „Und wer pflegt das alles?“
    „Es gibt eine Garten-Crew, die sich darum kümmert, und über die Sommermonate hinweg stellt Seine Gnaden Studenten ein – Botaniker. Die ersten reisen in drei Wochen an, wenn die Saison mit dem großen Gathering eingeläutet wird.“
    „Die Highland-Games, genau. Finden die hier statt?“
    „Aye! Da drüben, hinter dem Steinkreis auf der Festwiese. Warst du schon mal bei so etwas dabei?“
    „Ich? Nein. Ich war mal mit einem Freund auf einem Mittelalter-Festival. Aber das ist wohl nicht ganz dasselbe.“
    Rupert lachte auf. „Nein, m’eudail, nicht ganz.“
    Ich blickte über das Tal hinweg und entdeckte am Ufer des Sees, aus der Distanz kaum zu entdecken, eine Rauchsäule, und wenn meine Augen mich nicht trogen, blitzte das Dach eines kleinen Hauses durch die Baumkronen. „Gehört das auch noch zum Anwesen?“, fragte ich, und Rupert folgte meinem Blick.
    „Das ist das alte Jagdaufsehercottage“, sagte er. „Mittlerweile ist es aber vermietet.“
    „Und wer wohnt jetzt dort?“
    „McKay“, sagte er nur, und ich spürte am Tonfall, dass er mir nicht mehr verraten wollte. Rasch wechselte ich das Thema und fragte ihn, wie lange er hier schon lebte.
    „Oh, mein ganzes Leben schon“, erwiderte er. „Ich bin hier geboren. Mein Vater war hier schon Verwalter, ebenso mein Großvater.“
    „Sie haben nie irgendwo anders gewohnt?“
    Er lachte und warf mir einen Blick zu. „Ich war nie woanders“, sagte er.
    Ich schluckte. „Nie? Was ist mit Urlaub?“
    „Ich habe doch mein Urlaubsland vor der Haustür.“
    „Ja, schon. Es ist auch wirklich wunderschön hier, aber wenn Sie nie Notre-Dame in Paris, den Markusplatz in Venedig oder Palmen an einem weißen Sandstrand gesehen haben, wie können Sie dann wissen, dass es hier am schönsten ist?“
    Er lachte kollernd auf. „Kannst du dir mich in Paris vorstellen? In so einer Schickimicki-Metropole?“
    „Nun ja“, sagte ich und stellte fest, dass es mir wahrlich schwerfiel.
    „Nein, meine Kleine!“, brummte er. „Ich gehöre hierher, wie die Munros, die Fischadler, Mackenzie und das Heidekraut. Ich bin und bleibe nun mal ein alter, kauziger Highlander, und ich denke, das ist auch gut so.“
    „Dem kann ich nichts entgegensetzen.“
    „Was macht ihr denn hier?“, rief Ryan. Rupert und ich drehten uns zu der Stimme um.
    „Holla! Lord Raibeart! Ihr wollt mir doch wohl nicht diese überaus hübsche und angenehme Gesellschaft stehlen, oder, mein Freund?“
    Ryan hatte bei Ruperts Worten abrupt innegehalten und warf mir jetzt einen schockierten Blick zu.
    „Ach!“, sagte ich, unterdrückte einen Lachanfall und neigte erwartungsvoll den Kopf. „Raibeart?“
    Er verzog jedoch nur das Gesicht. „Ich fahre jetzt zu den beiden Bauarbeitern, Jo. Ich dachte mir, du möchtest vielleicht mitkommen.“
    Natürlich wollte ich mit, aber hatte nicht vor, ihn so einfach davonkommen zu lassen, und lächelte ihn vielsagend an. „Seid Ihr Euch wirklich sicher, dass Ihr mich dabeihaben möchtet, Lord … wie war noch gleich der Name?“
    Es war ein bemerkenswertes Schauspiel, zu sehen, wie er mit sich haderte und schließlich aufgab.
    „Raibeart“,

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