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Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition)

Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition)

Titel: Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maryla Krüger
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Idee.“ Finn schloss gerade das letzte Fenster, trat zurück und hob einen Kerzenständer vom Boden auf.
    „Aye, er ist sauer, richtig sauer“, entgegnete Ryan.
    Mir lag die Frage nach dem Wer auf den Lippen, doch der Anblick, der sich mir bot, schnürte mir die Luft ab, so dass ich kein Wort herausbrachte. Milly hatte mit ihren Mädchen drei Tage zuvor die Halle wieder in ihren ursprünglichen, kreidestaubfreien und prachtvollen Zustand versetzt und stundenlang gewienert, gewischt und gebohnert, bis alles glänzte und funkelte. Doch nun sah die große Halle mit ihren herrlichen Bildern, Statuen und Wandteppichen, mit dem pompösen Holztisch und den Stühlen, den Vitrinen und der Schwertergalerie an der Wand über dem riesigen Kamin aus wie nach einer völlig eskalierten Party. Neben mir war ein elektrischer Kandelaber aus seiner Verankerung gerissen und baumelte nun tot an seinem Kabel herab, und am großen Kronleuchter war mehr als die Hälfte der Lampen zu Bruch gegangen. Doch das wenige Licht reichte aus, um sich einen ersten Eindruck zu verschaffen, und ja, wer auch immer hier gewütet hatte, er war sauer, richtig sauer.
    Es gibt keine Geister, sagte ich mir und unterdrückte mit viel Mühe das Bedürfnis, den zahllosen dunklen Schatten im Raum ihre Ursprünge zuzuordnen. Die Glasvitrinen auf der rechten Seite waren tatsächlich zum Großteil völlig zerschlagen, und die in jahrelanger Arbeit zusammengesuchten und liebevoll restaurierten, wunderbaren Ausstellungsstücke lagen in böswilliger Nachlässigkeit davor und rundherum verteilt auf dem Fußboden. Mehrere Gemälde und Wandteppiche waren von ihrer Halterung gelöst und zu Boden geworfen worden.
    Ich blickte zu den Fenstern. Draußen stürmte es noch immer, und die Zweige des Efeus schlugen in gespenstisch gleichen Intervallen gegen die Scheiben. Eine Gänsehaut zog sich über meinen Rücken, und ich wandte den Blick ab.
    Unser sorgsam zusammengetragener und ausgelegter Rundbogen war zerstört. Ein paar der Steine lagen noch in den Vitrinen, der Rest war auf den Fensterbrettern, den Tischen und über dem Fußboden verteilt.
    „Was machen wir jetzt?“, fragte ich.
    Ryan zuckte mit den Schultern und trat zu mir. „Im Moment können wir nicht viel tun, Jo. Wir müssen warten, bis es hell ist.“ Er drehte den Rest der Glühlampe aus der Fassung eines Strahlers und fluchte leise, aber herzhaft.
    „Ich denke, wir könnten vorläufig einige der Strahler aus der Galerie nehmen“, meinte Finn und kratzte sich am Kinn.
    „Gute Idee. Schaffst du das? Am besten noch, bevor Milly hier auftaucht?“
    „Sicher!“, sagte Finn und lachte leise. „Mit der Angst im Nacken klappt das wunderbar.“
    „Lucas, hilfst du ihm? Ich bringe Jo schnell auf ihr Zimmer und komme dann nach. Malcolm, du gehst auch rauf!“
    „Heißt das …“, begann ich und schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter. „Heißt das, du willst uns jetzt einfach so ins Bett schicken?“
    Er sah mich an und lächelte. „Ist schon gut, Jo! Keine Angst! Ich gehe fest davon aus, dass der Rest der Nacht ruhig sein wird. Also, ab mit dir!“
    „Ich will aber nicht!“
    „Jo, du kannst doch kaum noch aufrecht stehen! Und du zitterst wie Espenlaub! Geh ins Bett! Los!“
    Ich versuchte das Zittern meines Körpers abzuwehren und drückte den Rücken durch. „Hör auf, mich herumzukommandieren!“
    „Was heißt hier herumkommandieren? Es ist Viertel nach zwei in der Nacht, und wenn unser Poltergeist keinen Hang zu penibler Ordnung hat, wird das hier morgen noch da sein. Versprochen!“
    „Ja, aber …“
    „Mach den Mund zu, Jo! Du kannst auch in meinem Zimmer schlafen, wenn es dir lieber ist.“
    Ich hob den Kopf, funkelte ihn an, baute mich vor ihm auf und verschränkte starrsinnig die Arme. „Nein!“
    „Was, nein?“, fragte Ryan seelenruhig und verschränkte nun selbst die Arme, was bei seinen körperlichen Ausmaßen eindeutig mehr hermachte als mein kläglicher Versuch.
    Ich schluckte noch einmal. „So lasse ich mich von dir nicht behandeln!“
    „Ryan hat recht, Jo“, sagte Finn, um Frieden bemüht. „Leg dich lieber ein paar Stunden aufs Ohr. Morgen ist auch noch ein Tag. Außerdem hat er das sicher nicht so gemeint.“
    „Oh, doch!“ Ryan nickte, und in seinen funkelnden grünen Augen fand sich nicht die Spur von Nachgiebigkeit.
    „Beweg dich!“, sagte er und tat einen Schritt auf mich zu.
    „Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du ein Despot bist?“
    „Beweg deinen

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