Ein schottischer Sommer: Roman (German Edition)
„Und?“
„Und?“ Er lächelte. „Dann bin ich zurück in den Hafen gesegelt und habe mich ins Auto gesetzt, bin hierhergekommen und fand dich im Loch Monadail.“
„Ich habe Licht gesehen“, sagte ich. „Vom Söller aus. Deswegen war ich dort. Ich dachte, du hättest mich angelogen, als du sagtest, du müsstest weg. Ich glaubte, du …“ Ich hielt inne.
„Was?“
„Marlin, wer war der Mann, mit dem du dich auf der Lichtung getroffen hast?“
„Auf der Lichtung? Das war Malcolm.“
Ich hob den Kopf. „Malcolm?“
„Ja, er sagte, er hätte gesehen, wie Ryan die Burg verlassen und in Richtung Cottage gegangen sei. Er wollte mich vorwarnen.“
„Ryan ist in Fort William.“
„Nein, ist er nicht. Beziehungsweise nicht mehr. Als ich die Auffahrt hochfuhr, stand der Landrover vor dem Westflügel. Was hast du?“
Ich wühlte mich aus dem Plaid und setzte mich auf. „Wann war das?“, fragte ich.
„So gegen zehn Uhr, warum?“
„Ich habe nicht gemerkt, dass er zurückgekommen ist.“
„Na ja, Caitlin Castle ist groß.“
„Marlin! Ryan glaubt, dass du die Apparatur in Gang gesetzt hast.“
„Dieses Ding, das ihr gefunden habt?“
„Ja. Es funktioniert wie eine Orgel. Finn hat es geschafft, es in Gang zu setzen. Der Klangschreiber und die Walzen. Damit wurde der ganze Spuk fabriziert. Von Menschenhand!“
„Und Ryan sagt, dass ich … aber warum sollte ich das tun?“
„Eben! Das habe ich mich auch gefragt. Mir kam das völlig unlogisch vor. Ich habe ihm auch nicht geglaubt.“
„Aber du hast gezweifelt, oder? Sonst wärst du nicht heute früh hier aufgetaucht. Gib es zu! Du wolltest sehen, ob ich hier eine dieser seltsamen Walzen aufbewahre.“
„Sagen wir mal, ich wollte mich von meinem eigenen Urteil überzeugen.“
Marlin lächelte. „Komm her, kleine Jo!“, murmelte er und zog mich an seine Brust.
„Ich denke, ich sollte langsam wieder zurückgehen.“
„Das kommt nicht in Frage. Du bleibst hier.“
„Marlin!“
„Nein! Vergiss es! Ich habe keine Lust, jetzt noch einen Fuß vor die Tür zu setzen, und alleine lasse ich dich schon gar nicht gehen. Außerdem hat es angefangen zu regnen. Du bleibst! Ich bringe dich morgen früh zur Burg.“
In diesem Moment erkannte auch ich, dass das leise Prasseln, das ich eigentlich für ein Knistern aus dem Kamin gehalten hatte, in Wahrheit Regen war, und ein Kälteschauer überzog meinen Rücken. „Na gut. Überredet.“ Ich lehnte mich an ihn und lächelte. „Und du warst wirklich draußen auf dem Meer?“
„Aye. Und es war das erste Mal nach sehr langer Zeit, dass sich alles in mir zurück an Land sehnte.“ Er küsste mich sanft auf den Scheitel. Die Geräusche aus dem Kamin vereinigten sich mit dem der Regentropfen und dem gleichmäßigen Rhythmus von Marlins Herzschlag unter meinem Ohr. Fünf Minuten später war ich eingeschlafen.
Am frühen Morgen wurde ich von lauten Stimmen geweckt. Ich lag in dem großen Bett im Schlafzimmer, und von unten drangen die erregten Stimmen von Marlin und Ryan an mein Ohr.
„Geht das schon wieder los“, murmelte ich, schlug die Bettdecke zur Seite, stand auf und stieg die Treppen hinunter. Unten angekommen, stieg ich in Marlins Gummistiefel Größe 46 und blickte nebenbei durch das kleine Fenster neben der Tür.
Sie standen im strömenden Regen vor dem Haus. Beide hatten Wetterjacken an und die Kapuzen tief ins Gesicht gezogen.
„Und warum bitte sollte ich so einen Schwachsinn fabrizieren? Kannst du mir das auch sagen?“, fragte Marlin in dem Moment, in dem ich hinaustrat.
„Sag du es mir!“, entgegnete Ryan.
„Guten Morgen!“, bemerkte ich betont fröhlich. „Herrliches Wetter heute; richtig schottisch, nicht wahr?“
Marlin schmunzelte, als er sich zu mir drehte und sah, wie ich in seinem Hemd, seinen Socken und den viel zu großen Stiefeln meine Nase in den Regen hielt.
Ryan registrierte meinen Aufzug mit der Miene eines gehörnten Ehemannes, doch er sagte nichts dazu. Noch nicht, dachte ich.
„Du wirst nass“, sagte Ryan. „Geh wieder rein!“
„Wir werden jetzt alle reingehen, mein Lieber!“, sagte ich energisch und streckte den Finger in Richtung Tür. „Bewegt euch!“
Marlin fand die Idee anscheinend mehr als adäquat, denn er setzte sich sofort in Bewegung. Nur Ryan rührte sich nicht.
Ich verschränkte die Arme vor der Brust und funkelte ihn an. „Es liegt an dir, ob ich mir einen Schnupfen hole.“
Ryan hob die Hand und wischte sich über die
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