Ein Schuss Liebe kann nicht schaden
hatte er seine Schwester und das Baby angeschaut, als er sich sicher war, dass es ihr wirklich gut ging. Hope war schon fast in der Tür, um die beiden ein bisschen allein zu lasssen – doch da hatte Jakob sie zurückgehalten. Er wollte, dass sie sich neben ihn auf die Matratze setzte.
„Wir haben hier einen Brauch. Bleib doch hier.“
Als die Sonne langsam am Horizont aufging, segnete er das Baby und die Mutter und sang dann dieses Lied.
Bei der Erinnerung bekam Hope jetzt noch eine Gänsehaut. Mit Gottes Schutz und Jakobs Stärke würde es den Kindern hier sehr gut gehen. Die Kinder lasset kommen her.
Sie schaute sich um. Das Haus war aufgeräumt und sauber. Die Vorratskammer war zum Bersten gefüllt. Durch die frisch geputzten Fenster konnte Hope die gewaschenen Sonntagskleider auf der Leine sehen, die nur darauf warteten, gebügelt zu werden. Ein Rosenstrauß auf dem Tisch bewies, dass der Rosenstock vor der Tür wieder in voller Blüte stand.
„Ich verstehe das nicht. Alles ist, wie es sein soll. Warum fällt es mir so schwer zu gehen?“
Keine Antwort.
Hope wusch die Schnürsenkel, putzte die Schuhe und fing mit dem Bügeln an. Ihr Kleid bügelte sie als Letztes – das neue. Damit Emmy-Lou sie besser sehen konnte, trug Hope ihr grünes Sonntagskleid jetzt jeden Tag. Aus dem atemberaubend schönen Stoff von Jakob hatte sie sich ein neues Sonntagskleid genäht.
Annie kam die Treppe herunter. „Ich dachte, wir wollten erst nach Sonnenuntergang bügeln.“
Hope bewegte das Bügeleisen auf dem Kleid immer vor und zurück. „Ich habe mit Gott geredet und dabei einfach weitergearbeitet.“
„Ich fange mit dem Abendessen an. Vielleicht können wir Käseknöpfle machen. Was meinst du?“
Normalerweise lief Hope schon bei dem Gedanken an dieses leckere Essen das Wasser im Mund zusammen. Aber jetzt zuckte sie nur mit den Schultern. „Ich habe eigentlich gar keinen Hunger. Emmy-Lou und Phineas lieben dieses Essen. Sie werden sich sicher freuen.“
Annie warf ihr einen seltsamen Blick zu. „Geht es dir gut?“
„Ja. Ich bin nur etwas verstreut.“
„Verstreut?“
„Du weißt schon. Wenn man von einer Sache zur nächsten rennt und sich dann nicht mehr erinnern kann, was man gerade wollte.“
„Zerstreut.“ Annie presste sich sofort die Hand vor den Mund. „Es tut mir leid. Ich wollte dich nicht korrigieren.“
In solchen Momenten löste sich Annies neu gewonnenes Selbstvertrauen in Luft auf und sie sah genauso ängstlich aus wie früher. Hope winkte ab. „Du bist meine Freundin. Du würdest dich nie über mich lustig machen. Dein Wort hört sich richtig an, aber meine Worte verstehe ich besser.“
Annie ließ die Hand sinken und lächelte Hope erleichtert an. „Ich verstehe sie auch.“
„Als ich am Mittwoch die Eier und die Milch in die Stadt gefahren hab, hat Mr Clark gesagt, dass auf ein paar Farmen die Eier knapp werden und er hat von Opossums geredet. Ich glaube ja, dass eher die Koyoten und Schlangen die Eier klauen. Deshalb wollte ich auch, dass Emmy-Lou dir mit dem Baby hilft, als ich die Eier eingesammelt hab. Ich hatte Angst, dass sie eine Schlange nicht sehen würde.“
Annies Augen weiteten sich. „Gütiger Himmel! Daran habe ich noch gar nicht gedacht!“
„Eigentlich hab ich nicht das Recht, etwas zu sagen, aber wo wir schon von den Eiern reden ... Ich weiß, dass die verstorbene Frau deines Bruders ihre besonderen Hühner geliebt hat, aber sie legen braune Eier. Ich glaube, es wäre gut, wenn ihr nächstes Frühjahr neue Hennen besorgt, die weiße Eier legen. Dann kann Emmy-Lou euch besser helfen. Es ist wichtig für sie, dass sie so viel hilft, wie es geht.“
„Warum hast du das nicht schon früher gesagt?“, mischte sich eine tiefe Stimme ein.
„Oh!“ Hope zuckte zusammen und wirbelte herum. Dort stand Mr Stauffer am offenen Küchenfenster. Mit klopfendem Herzen hob Hope warnend den Zeigefinger. „Du schaffst es immer wieder, mich zu Tode zu erschrecken. Ich denke, man muss es nicht übers Knie brechen. Aber im nächsten Frühjahr kannst du ja vielleicht ein paar Küken kaufen, die als Hennen weiße Eier legen.“
„Und in der Zwischenzeit“, sagte er, „können wir ein paar Hennen mit unseren Nachbarn tauschen.“
„Lena Patterson hat sowieso einen Nähnachmittag geplant, an dem wir unsere Schnittmuster austauschen und zusammen nähen wollen. Wahrscheinlich schon nächste Woche.“ Annie schaute ihren Bruder schüchtern an. „Wenn wir morgen im
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