Ein Schuss Liebe kann nicht schaden
er das bekommt, was ich hatte – besonders den Kindern nicht. Doch selbst wenn sie das Fieber kriegen, dann bekommen sie bestimmt nicht so einen dummen Ausschlag wie ich.“
„Wie ich meinen Bruder kenne, wird er Velma im Gottesdienst fragen, ob sie auf dem Heimweg von der Kirche einmal nach dir schauen kann. Du solltest dich besser darauf gefasst machen, dass sie kommt.“ Annie schabte die Essensreste vom Teller in den Eimer für die Schweine. Danach wusch sie das Geschirr.
Johnny fing an, leise zu krähen. „Gleich wird der Kleine mit voller Lautstärke losbrüllen. Hol ihn lieber jetzt, bevor er die ganze Gegend zusammenschreit.“
Annie hob ihren Sohn aus der Wiege und drückte ihn sanft an sich. „Ich bin so dankbar, dass Jakob dieses Medizinbuch hat.“
„Ich bin nur dankbar, dass er auch weiß, wo man nachlesen muss. Für mich macht das alles immer noch keinen Sinn.“
„Er hat fast die Seiten aus dem Buch gerissen, als er nach deinen Symptomen gesucht hat. Zuerst haben wir gedacht, dass du die Masern hast – aber deine Augen waren nicht rot oder haben getränt. Und der Ausschlag ist auch gleich dagewesen – aber nicht zuerst auf deinem Gesicht. Dann hat Jakob den Abschnitt über Fieberausschläge gefunden und gelesen. Da wussten wir sofort, was mit dir los war. Wusstest du, dass man bei den Masern in Quarantäne muss?“
Sie hörten Schritte auf der hinteren Veranda. Doch es waren keine vertrauten Schritte. Irgendetwas stimmte da nicht. Jakob kam immer durch die vordere Eingangstür. Allerdings waren es auch nicht seine Schritte. Obwohl sie so schwach war, erkannte Hope ihn immer noch jederzeit an seinem Gang. Der Türknauf drehte sich, ohne dass jemand geklopft hatte. Wahrscheinlich war es Phineas.
Ein großer, hagerer, blonder Mann betrat unaufgefordert die Küche.
Annie schrie laut auf und wich einen Schritt zurück.
Hope wusste sofort, wer der Mann war – seine Augen musterten die beiden Frauen böse. Seinen Mund hatte er zu einem schiefen Lächeln verzogen, doch sein Gesicht wirkte trotzdem kalt und hart. Das war also Annies Ehemann.
„Annie, du kommst jetzt sofort mit mir nach Hause.“
Annies Arme drückten Johnny instinktiv fester an ihre Brust, und der Kleine protestierte lauthals.
Eine ausladende Handbewegung begleitete Konrads nächsten Befehl. „Gib Jakobs Frau ihren Balg zurück. Du hast hier mehr als genug gearbeitet und es ist höchste Zeit, dass du wieder nach Hause kommst!“
Weiß wie die Wand schob sich Annie an ihm vorbei und drückte ihren geliebten Sohn in Hopes Arme. Mit den Augen bat sie Hope, ihn zu beschützen.
„Ich bin noch so schwach.“ Das war keine Lüge. Hope stand mit zitternden Knien auf. „Ich brauche Hilfe, um wieder nach oben zu kommen. Bitte, Annie, trage mir das Baby nach oben. Ich will ihn nicht fallen lassen.“
Annie nahm ihren Sohn automatisch wieder auf den Arm.
Hope schlurfte ein paar Schritte durch die Küche, bis sie direkt vor Konrad stand. Ihre Beine fingen an, heftig zu zittern, und sie kämpfte gar nicht erst dagegen an. Stattdessen griff sie mit beiden Händen nach seinem Hemd und hielt sich an ihm fest. „Man braucht schon eine Menge Mut, um hierherzukommen. Gerade jetzt.“ Theatralisch klammerte sich Hope auch weiterhin an ihn und legte sogar müde ihren Kopf an seine Brust. „Vielen Dank. Ich bin ja immer noch so krank.“
Konrad griff nach ihren Handgelenken und schob sie von sich weg. „Du hast ja einen Ausschlag!“ Böse sah er zu Annie. „Habe ich da nicht etwas von Quarantäne gehört?“
Annie biss sich auf die Lippen.
„Jakob ist sicher gleich wieder hier. Er wollte nur medizinische Hilfe holen.“ Hope schwieg einen Moment und dachte nach. Gott, ich will nicht lügen, aber ich will auch nicht, dass er Annie wehtut. Schwer stützte sich Hope auf den Tisch und senkte den Kopf. „Jakob hat Annie etwas über die Masern vorgelesen. Das letzte Mal, als ich jemanden mit Masern gesehen hab, hat der Arzt niemanden aus dem Haus gelassen – zwei volle Wochen lang.“
„Zwei Wochen“, brach es aus Konrad heraus.
„Sie dürfen gern hierbleiben.“ Hope ließ sich auf einen Stuhl gleiten. „Außerdem wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mich nach oben tragen könnten. Ich schaffe es nicht alleine.“
„Nein!“ Er sprang ein paar Schritte zurück und sah von Hope zu Annie. „Gib ihr das Balg. Du kommst trotzdem mit mir!“
Annie schwieg und nickte langsam. Als Annie auf Hope zukam, dachte Hope angestrengt
Weitere Kostenlose Bücher