Ein Schuss Liebe kann nicht schaden
ein Mann still und kontinuierlich für sie gebetet. Das hatte sie tief berührt.Vielleicht wird mir deshalb in seiner Gegenwart immer ein bisschen schwindelig.
„Ja. Wir haben gebetet. Als dein Fieber ganz schlimm war, haben Annie und ich ernsthaft daran gedacht, deine Haare abzuschneiden, um das Fieber zu brechen.“ Er hob seinen Blick ein wenig. Dann strich er mit den Fingerspitzen eine Haarsträhne aus ihrer Stirn. Gern hätte sie ihren Kopf in seine Hand gelegt, damit die zarte Berührung nicht aufhörte. Doch Jakob schien von alledem nichts zu merken, denn er fuhr fort: „Es freut mich, dass wir Annies Schere doch nicht gebraucht haben. Um dir das Leben zu retten, hätte ich alles getan, aber es wäre so schade gewesen um deine Haare. Deine Haare sind wie eine goldene Krone auf deinem Haupt.“
Hope wusste nicht, wie sie auf seine Worte reagieren sollte. Deshalb nahm sie ihre Handarbeit wieder auf. Seine Worte freuten sie sehr. Bisher war es ihr immer egal gewesen, ob die Männer sie hübsch fanden. Solange sie sauber und sittsam war, war das gut genug – aber Jakobs Kompliment wärmte ihr das Herz. Ich muss mich zusammenreißen. Sonst ende ich irgendwann noch wie Linette Richardson. Es gehört sich einfach nicht, dass eine Frau einem Mann schöne Augen macht, nur weil er sie anständig behandelt. Sie räusperte sich. „Emmy-Lou hat richtig viele Locken. Hatte sie die auch schon vor dem Fieber, als ihr ihre Haare abschneiden musstet?“
Es dauerte eine ganze Minute, bevor Jakob endlich antwortete. „Nein. Sie waren glatt.“
Es war unhöflich, mich nicht für das Kompliment zu bedanken, aber ich will nicht, dass er denkt, dass ich ihm nachstelle. „Ihr habt euch alle wirklich gut um mich gekümmert. Velma war heute morgen hier und hat uns die traurige Nachricht von Mr Vaughn gebracht. Es ist wirklich schrecklich, dass Gott ihn zu sich gerufen hat. Die arme Frau und die vielen Kinder.“
„Wahrscheinlich hast du das Fieber von ihm – du warst doch bei ihm im Laden, als du die Milch und die Eier in die Stadt gebracht hast. Ich hätte das Hühnerfutter selbst besorgen sollen.“
„Unsinn.“ Hope legte das Häkelgarn um ihren kleinen Finger. „Viele Leute haben Futter bei ihm gekauft und sind nicht krank geworden.“
Jakob schwieg einen Moment. „Sein Tod macht mich umso dankbarer dafür, dass du das Fieber überstanden hast.“
Das Häkeln beruhigte Hopes wild klopfendes Herz. „Ich denke, Gott wird mich noch zu einigen Leuten schicken wollen, denen ich helfen soll.“
„Er hat dich hierher geschickt.“ Ich weiß nur nicht, wann ihr genug von mir habt und mich wieder wegschickt . Der Gedanke an den Abschied schmerzte sie jetzt schon, deshalb wechselte Hope das Thema. „Was meinst du, soll ich fünf oder sechs kleine Knöpfe hier hinten annähen?“
„Naomi hatte ein Glas voller Knöpfe.“
Hope schaute zu Jakob hinüber. Normalerweise sprach er nie von sich aus von seiner verstorbenen Frau. Doch in den letzten Wochen hatte er sich sehr verändert. Die Trauer verschleierte seinen Blick nicht mehr so oft. Hope versuchte, so normal wie möglich zu sprechen. „Wenn du mal einen Moment Zeit hast und gerade daran denkst, dann stell sie mir doch in die Küche. Wir könnten die größeren Knöpfe gut gebrauchen, um Emmy-Lou beim Zählen zu helfen.“
Jakob musste lachen. „Ja. Ich war wirklich stolz, als sie neulich bis neunundzwanzig gezählt hat, aber zehnundzwanzig?“
Hope lächelte. „Sie ist so ein süßes Ding.“
Ein unerwarteter Ruf unterbrach ihre Unterhaltung. „Jak ...“
Hope schaute sich überrascht um. „Wer nennt dich denn Jak?“
„Keiner.“ Jakob stand auf und spähte in den dunklen Hof hinaus. Einen Augenblick später sprang er über das Verandageländer und rannte los.
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Kapitel 27
Hopes Handarbeit fiel auf den Boden, als sie hinter Jakob her rannte. „Was ist los?“
„Phineas.“ Jakob lief am Baum im Hof vorbei auf die Scheune zu. Als Hope die Scheune erreichte, hatte sich Jakob schon neben Phineas gekniet und ihn halb hochgehoben. „Er ist heiß.“
Hope hockte sich auf die andere Seite. „Wir sollten ihn ins Haus bringen. Wenn er auf dem Sofa liegt, können wir seine Matratze holen. Sollen wir sein Bett lieber in deinem Arbeitszimmer oder im Wohnzimmer aufbauen?“
„Im Arbeitszimmer.“
„Es tut mir leid“, röchelte Phineas.
* * *
Spät am nächsten Vormittag schob Jakob Hope
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