Ein Schuss Liebe kann nicht schaden
sterben würden.“
„Ja. So etwas ist schrecklich. Jakob ist dir bestimmt sehr dankbar dafür, dass du Annie so lange bei ihm lässt, um ihm zu helfen.“
Es wurde immer schwieriger, eine gute Erklärung für Annies lange Abwesenheit zu finden. Am Anfang dachte jeder nur, dass es sehr nett von ihm war, seine Frau so lange gehen zu lassen. Aber als ein Monat nach dem anderen verging, fingen die Leute doch an, über ihn zu reden. Dass sie ihm nicht mehr so recht glauben wollten, merkte er auch daran, dass er nicht mehr so oft zum Essen eingeladen wurde. Allein bei dem Gedanken an Essen fing Konrads Magen an zu knurren. Er rieb sich den Bauch und grinste etwas schief: „Stimmt wohl nicht, was ich vorhin gesagt habe. Meine Annie ist jetzt schon eine Ewigkeit weg. Das habe ich natürlich schon am zweiten Tag gesagt, aber es stimmt auch. Ich bin ein schrecklicher Koch.“
„Komm doch am nächsten Sonntag zum Abendessen vorbei.“
„Das werde ich.“ Sein Lächeln wurde breiter. „Dann kann ich euch alles erzählen, was Annie mir geschrieben hat.“
Volkner nickte. Er kniff die Augen zusammen und ließ seinen Blick über die Felder schweifen. Dann seufzte er. „Dein Weizen – der sieht gut aus. Ich hätte dieses Jahr auch Weizen säen sollen. Die Blattläuse haben meine gesamte Hirseernte zerstört.“
„Bei mir auch. Das Zeug ist nichts mehr wert. Aber wenn das Wetter hält, dann komme ich mit dem durch, was ich an dem Weizen verdiene.“
„Das freut mich für dich.“ Volkner nahm seinen Hut ab und fuhr sich mit den Fingern durch sein dichtes blondes Haar. Dann setzte er den Hut wieder auf. „Bei mir ist der Verlust zu groß. Ich muss in den Süden, um mein Geld als Erntehelfer zu verdienen. Wenn die Ernte im Süden vorbei ist, sind deine Felder auch erntereif. Ich bin also wieder da, wenn die Ernte hier losgeht. Du kannst auf mich zählen.“
Konrad nickte kurz. „Danke. Wenn du auch zu Jakobs Farm gehst, dann sag meiner Annie doch bitte, dass ich sie vermisse. Wann reitest du los?“
„Übermorgen ... mach dir keine Sorgen. Ich werde allen zu Hause sagen, dass du am Sonntag zum Essen kommst.“
Konrad schaute Volkner nach. Die Unterhaltung hätte nicht besser laufen können – jedenfalls angesichts der Umstände. Es fiel ihm nicht schwer, sich eine oder zwei Geschichten über Annie und ihre Nichte auszudenken. Konrad hielt sich für einen guten Geschichtenerzähler. Was machte es da schon, dass es nur Lügen waren?
Er blickte auf den Umschlag in seiner Hand und riss ihn mit einem heftigen Ruck auf. Das Geld rutschte ihm entgegen. Fünf Dollar. Fünf läppische Dollars im Monat. Die schickte ihm Jakob, damit er blieb, wo er war. Es war nicht genug, aber Konrad konnte jetzt nicht weg. Er hatte keinen, der sich um die Felder kümmerte.
Er drehte sich um und ging zum Haus. Bei jedem Schritt wurde er zorniger. Er war es gewesen, der das Land hier die letzten sechs Jahre bearbeitet und in der glühenden Hitze jede Ernte eingebracht hatte. Und er hatte Stauffers schüchterne Schwester geheiratet. Alles war genau nach seinem Plan gelaufen bis vor zwei Jahren, als der alte Herr gestorben war. Oh, Konrad hatte auch das geplant. Annie hatte sich so liebevoll und gut um ihren Vater gekümmert, dass der alte Herr viel länger durchgehalten hatte als gedacht. Konrad war ein guter Schauspieler gewesen. Oft hatte der Alte gesagt, dass Konrad wie ein Sohn für ihn sei. Und am Ende war dann alles ganz einfach. Er hatte Annie hinauf ins Bett geschickt und endlich mit dem Alten Schluss gemacht – einfach ein Kissen übers Gesicht. Keiner hatte irgendeinen Verdacht geschöpft, und jetzt gehörte endlich alles ihm.
Das dachte er damals jedenfalls.
Ein Sohn sollte erben – doch nach der Beerdigung, als das Testament verlesen wurde, hatte er gehört, dass er leer ausgehen würde. Alles, wofür er gearbeitet und wovon er geträumt hatte, nichts davon sollte er bekommen. Wenigstens das Haus hätte ihm gehören sollen, aber Annies Vater war nie zu einem Anwalt gegangen, um sein Testament noch mal zu ändern. Sein Testament besagte, dass die Farm zwischen den beiden Brüdern gleichmäßig aufgeteilt werden sollte – da aber Bartholomäus schon tot war, bedeutete das, dass Jakob alles erbte. Alles – das Haus, die Scheune, die Tiere und die Felder – alles gehörte jetzt dem einzig überlebenden Sohn.
Jakob brauchte die Farm gar nicht. Er hatte ja schon eine. Und Jakob verdiente die Farm auch gar nicht. Doch jetzt,
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