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Ein Sehnen Im Herzen

Ein Sehnen Im Herzen

Titel: Ein Sehnen Im Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
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der Emma seine Sachen aufbewahrt hatte. James hingegen roch kein bisschen nach Zeder. Er roch ganz anders, nach Rasierseife und... nach daheim.
    Sie hätte nicht sagen können, warum sie es so empfand; es war einfach so. James Marbury roch nach London, nach reiner Seife und frischen Orangen und teurem Pfeifentabak, Dinge, die Emma in Faires selten begegneten und die jetzt in weiter, weiter Ferne zu liegen schienen.
    Ein Glück, hatte sie gedacht, sowie sie sich voneinander gelöst hatten, dass James nach England zurückkehrte. Ein großes Glück. Kein Mann und schon gar nicht James Marbury, der jemanden so verraten konnte, wie er sie verraten hatte, hatte das Recht, so gut zu riechen. So etwas wie diese Gerüche konnten ein Mädchen ziemlich durcheinander bringen. Auch eine Witwe.
    »Mrs. Chesterton?« Ein dünnes Stimmchen, begleitet von einem energischen Zupfen an ihrem Rock, holte Emma in die Wirklichkeit zurück. Sie blickte nach unten und sah, dass die kleine Flora Mackay mit ihrer Schiefertafel in der Hand vor ihr stand.
    »Warum bist du nicht auf deinem Platz, Flora?«, fragte Emma. »Ich dachte, du arbeitest an deinen Rechenaufgaben.«
    »Hab ich auch, Mrs. Chesterton.« Flora senkte ihre Stimme zu einem Flüstern. »Aber ich dachte, Sie sollten wissen, dass die Antwort, die Sie bei neunhundertsechzig geteilt durch vierundzwanzig aufgeschrieben haben, falsch ist.«
    Emma zuckte schuldbewusst zusammen und richtete den Blick auf die große Schiefertafel, die Samuel Murphy, der Hansdampf in allen Gassen von Faires, für sie an der leicht gewölbten, weiß getünchten Wand aufgehängt hatte. Die Summen, die sie errechnet hatte, starrten sie an. Abgelenkt durch das unerwartete Auftauchen des Earls von Denham, war sie bei den großen Divisionen ein wenig nachlässig gewesen, wie sie jetzt feststellte.
    »Ach du meine Güte«, sagte Emma. »Kannst du es bitte für mich verbessern, Flora?«
    Das kleine Mädchen nickte, nahm das Stück Kreide aus Emmas Hand und ging zur Tafel, um das Problem zu beheben. Emma, die ihr zusah, spürte leise Gewissensbisse. Sie war keine besonders gute Lehrerin, so viel stand fest. Genau genommen war sie eine sehr, sehr schlechte.
    Aber was, fragte sich Emma nicht zum ersten Mal, war die Alternative? Entweder Emmas Schule für die Kinder von Faires oder gar keine Schule. Niemand sonst hatte angeboten, sie zu führen, nachdem der Schulmeister im letzten Herbst wie so viele andere der Typhusepidemie zum Opfer gefallen war.
    Dennoch, die Kinder - vor allem die aufgeweckten - hatten etwas Besseres verdient, gestand Emma sich ein. Ein richtiger Lehrer, nicht die arme Witwe des Kaplans, sollte den Unterricht geben und ihnen Französisch beibringen und Naturwissenschaften und Geschichte und Geographie. Und sie sollten Tische haben, nicht bloß lange Holzbänke, auf denen sie dicht nebeneinander gedrängt saßen, während sie sich über ihre kleinen Schiefertafeln beugten und ihre Rechenaufgaben machten. Und ein richtiges Schulhaus, nicht dieses erbärmlich kalte und unweigerlich feuchte Erdgeschoss des Leuchtturms mit einem Holzofen, der ständig ausging. Sie sah, dass das Feuer schon wieder erloschen war.
    Zum Teufel mit diesem Ofen! Er funktionierte so gut wie nie, und wenn er, was selten genug vorkam, einmal lief, wurde der Raum nicht annähernd warm genug. Außerdem qualmte er. Hätte sie nur einen kühlen Kopf bewahrt und daran gedacht, den Earl zu fragen, ob er nicht geneigt wäre, eine Spende für einen neuen Ofen zu machen ...
    Aber angesichts all dessen, was zwischen ihnen vorgefallen war, bezweifelte sie, dass James immer noch so bereitwillig wie früher Geld für ihre wohltätigen Zwecke opfern würde. Und sie nahm an, dass sie es ihm nicht einmal verübeln konnte.
    Man musste zugeben, dass er etwas sehr Nettes getan hatte. Schließlich war er den weiten Weg von London gekommen, nur um sie einzuladen, bei seiner Mutter zu leben. Er mochte andere Motive dafür haben - Emma war überzeugt, dass er nur so gehandelt hatte, um sein schlechtes Gewissen wegen dieser schrecklichen letzten Auseinandersetzung mit Stuart zu beruhigen -, aber es war trotzdem sehr lieb von ihm gewesen.
    Und trotzdem, selbst wenn Emma nicht die Verantwortung für die Schule hätte, könnte sie Lady Denhams Angebot annehmen? Auf gar keinen Fall. Nicht mit O'Malleys letztem Willen. Man stelle sich nur vor, sie ginge nach London und das Ganze käme heraus! Sie würde in ganz Mayfair zur Zielscheibe des Gelächters

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