Ein Sehnen Im Herzen
zögern und Emma direkt fragen sollen, aber verdammt, das war nicht die Art Frage, die man einer trauernden Witwe gern stellte. Vor allem, da er nicht danach fragte, weil er Blumen auf das Grab legen wollte. Nein, er wollte es öffnen lassen. Er bezweifelte nicht, dass Emma einiges dazu zu sagen haben würde.
Die Antwort des Pfarrers auf James' Frage, ob er eine Ahnung hätte, wo Stuarts letzte Ruhestätte sein könnte, war äußerst unbefriedigend gewesen. »Es war sehr schwer«, hatte Reverend Peck ihm versichert, »Mrs. Chesterton, der Frau meines Hilfsgeistlichen, das Recht auf ein Grab für ihren Mann zu verweigern, aber was blieb mir anderes übrig? Es war einfach kein Platz.« Dann hatte der Pfarrer James anvertraut: »Ich befürchte, wo Mr. Chesterton auch begraben sein mag, es ist keine geweihte Erde. Mrs. Chesterton hat in manchen Dingen merkwürdige Vorstellungen, wie ich feststellen musste, unter anderem jene, dass jeder Boden Gottes Boden ist. Das kann man nicht zulassen, oder? Die Leute würden anfangen, ihre Nächsten im eigenen Garten zu beerdigen ...«
Die einzige Möglichkeit, die blieb, war natürlich, die Ehefrau des Dahingegangenen zu befragen, aber das hatte er gründlich vermasselt. Er hatte es von Anfang bis Ende ihrer Begegnung geschafft, sich zum Narren zu machen, zuerst wegen dieses polternden Bauern, dann wegen Emma selbst. Wer hätte gedacht, dass sie sich so verändern würde? Wirklich, als er sie vor einem Jahr zum letzten Mal gesehen hatte, hätte er nie vermutet, dass sie so... ja, er konnte selber nicht genau sagen, in welcher Hinsicht Emma sich verändert hatte. Was war aus dem süßen, idealistischen Mädchen geworden, das ihn so gnadenlos um Spenden für ihre zahlreichen wohltätigen Werke bat und mit dem er im vergangenen Winter so oft auf Bällen und Gesellschaften getanzt hatte? Das Mädchen, das jeden mit ihrer puppenhaften Anmut und ihren lachenden tiefblauen Augen bezaubert hatte? Obwohl er, um ehrlich zu sein, öfter Feuer als Lachen in diesen Augen gesehen hatte. Ständig hatte sie ihn wegen seiner Selbstsucht und Unbeständigkeit getadelt, eine Gewohnheit, die er bei jedem anderen Menschen als ausgesprochen lästig empfunden hätte.
Aber von Emma auf den Pfad der Tugend geführt zu werden, genoss er geradezu. Es war immer wesentlich unterhaltender gewesen als die Schmeicheleien, die er von den anderen Frauen aus seinem Bekanntenkreis zu hören bekam.
Vielleicht, dachte James, während er grimmig ins Feuer starrte, war gar nichts mit Emma geschehen. Vielleicht war sie einfach erwachsen geworden. Vielleicht war das aus ihr geworden.
Eine Frau.
Dieser Gedanke war es, der ihn schließlich bewog, sein Glas erneut zu heben und es zielstrebig an seine Lippen zu führen. Er kippte den Inhalt mit einem einzigen Schluck hinunter, senkte das Glas und...
... und wurde von einem heftigen Schauer geschüttelt.
Lieber Gott! Was hatte das zu bedeuten? Wollte man ihn umbringen?
Mit tränenden Augen und brennender Kehle sah sich James verzweifelt um, in der festen Überzeugung, jeden Moment zu sterben. Jemand hatte ihn vergiftet, jemand, der wusste, warum er nach Faires gekommen war, und ihn dafür verabscheute. Aber als er den Kopf wandte, sah er durch die Tränen in seinen Augen einen Mann hinter der Theke stehen, der gerade einen Humpen abtrocknete und dabei in sich hineinlachte. Über ihn.
»Dürfte ich erfahren«, krächzte James, »was Sie so amüsant finden, Sir?«
»Sie«, lachte der Schankbursche. »Hier.« Der Mann füllte den Humpen, den er gesäubert hatte, mit etwas, das aus einem Zapfhahn kam, trat hinter der Theke hervor und stellte ein Getränk mit heller Schaumkrone vor James. »Trinken Sie das. Wird ein bisschen helfen.«
James, dessen Magen wie Feuer brannte, gehorchte. Das kühle Bier löschte die Flammen in seinem Inneren sofort. Als James wieder sprechen konnte, fragte er mit unsicherer Stimme: »Was war das?«
»Was Sie bestellt haben.« Der Schankbursche griff nach dem unschuldig aussehenden Glas, in dem sich die giftige Flüssigkeit befand, und hielt es in das graue Licht, das durch die unterteilten Fensterscheiben kroch. »Aus einer der hiesigen Brennereien. Hat ganz schön Biss, was?«
»Biss?« James schüttelte den Kopf. Er musste allerdings zugeben, dass seine Kopfschmerzen ein wenig nachgelassen hatten.
»Genau. Noch einen?«
»Lieber nicht«, sagte James und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Feuer zu. Worüber hatte er gerade
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