Ein Sehnen Im Herzen
Instinkten mitreißen zu lassen.«
Emma, die sofort nach ihrer Ankunft im Gasthaus - gefahren von Mr. Murphy, den Roberts bei Mrs. MacEwan abgeholt hatte - in das Ankleidezimmer seiner Lordschaft verschwunden war, um mit einem Nachthemd und dem fadenscheinigsten aller Morgenmäntel wiederaufzutauchen, den sie offenbar als eine Art Rüstung betrachtete, schnaubte.
»Dessen bin ich mir bewusst«, sagte sie spröde. »Aber hältst du es nicht trotzdem für besser, wenn ...«
»Nein, tue ich nicht«, unterbrach James sie mit gespielter Müdigkeit und Ungeduld. Na ja, die Ungeduld war nicht gespielt. Er war ziemlich gespannt, wie es weitergehen würde. Was er nicht war, war müde. Ganz und gar nicht.
»Ich finde deine jungfräuliche Zurückhaltung«, fügte er hinzu, »ein wenig unangebracht, wenn man bedenkt, dass du Witwe und, wie man meinen sollte, daran gewöhnt bist, nicht allein zu schlafen. Korrigiere mich, falls ich mich irre.«
Emma warf ihm einen scharfen Blick zu. »Was meinst du damit?«
»Nun, ich gehe davon aus, dass du und Stuart in einem Bett geschlafen habt.«
Emma verdrehte die Augen. »Ja«, sagte sie. »Aber er war mein Ehemann.«
»Das«, konnte James sich nicht verkneifen, »bin ich auch.«
»Ja, aber...« Emma blinzelte. »Naja, du weißt schon, was ich meine. Du bist es nicht wirklich.«
»Aber wir wollen doch nicht, dass Richter Reardon das erfährt, oder?«
Als sie weiterhin unverwandt auf das hohe Federbett starrte, fügte James hinzu: »Ich dachte, wir hätten eine Abmachung.«
»Haben wir auch.« Emma hob aufgebracht den Kopf. »Aber ich hatte nicht erwartet, dass sie beinhalten würde, in einem Bett zu schlafen.«
»So sieht es im Moment aber aus«, sagte James. »Eine Alternative wäre natürlich, Richter Reardon zu wecken und ihm mitzuteilen, dass alles ein Irrtum war. Dann fahre ich morgen Früh allein nach London zurück und du kannst wieder an deiner kleinen Schule unterrichten - das heißt, falls es dir die sittenstrengen Bürgerinnen der Stadt überhaupt erlauben. Anscheinend wissen sie alle, dass ich in deinem Cottage übernachtet habe und zwar, als wir im Gegensatz zu jetzt noch nicht Mann und Frau waren. Und du kannst natürlich weiterhin die Avancen von Lord MacCreigh und deinen anderen ergebenen Bewunderern abwehren. Es liegt ganz bei dir.«
Ein Schauer überlief sie, obwohl es im Raum nicht besonders kalt war... wenn auch nicht so warm, wie es im Bett sein musste. Nein, nicht die Zimmertemperatur, sondern seine Bemerkung schien dieses Erschauern hervorgerufen zu haben.
»Nein«, sagte sie schwach. »Nein, das möchte ich wirklich nicht.«
»Das dachte ich mir«, sagte er. Und dann, weil es ihm höchste Zeit schien, dass einer von ihnen den ersten Schritt machte, marschierte er zum Bett, schlug die Decken zurück und legte sich hinein, fest in seinen eigenen Morgenmantel verschnürt - und so wird es, dachte James grimmig bei sich, vermutlich auch bleiben.
Emma, die immer noch am Bettende stand, starrte ihn aus großen Augen an. Sie wirkte fast ein wenig überirdisch, klein wie sie war und das Haar von den vielen Nadeln befreit, die es sonst zusammenhielten, sodass es in Wellen um ihre Schultern wogte. Allein ihr Anblick bewirkte, dass sich etwas in James' Brust zusammenschnürte...
Aber so war es immer schon gewesen. Sie jetzt in einem zerschlissenen Morgenmantel an seinem Bettende zu sehen, hatte dieselbe Wirkung auf ihn wie damals an jenem Abend, als er sie die Treppe herunterkommen sah , in einem richtigen Ballkleid, nicht in den Musselinhängern und langen Spitzenhöschen, in die ihre Tante sie bis zu ihrem sechzehnten Lebensjahr gesteckt hatte. Wie könnte er je den Schock vergessen, den er verspürt hatte, als er Emma so sah, die süße, elternlose Emma, mit tiefem Dekolletee, aufgestecktem Haar und auf den Lippen ein erfreutes kleines Lächeln über die Bewunderung, die sie hervorrief?
Aber nicht seine Bewunderung war es gewesen, über die sie sich gefreut hatte. Heiliger Himmel, nein! Es war Stuart - Stuart, der beinahe sein Glas mit Punsch fallen gelassen hätte -, den sie verstohlen beobachtet hatte, um festzustellen, wie er reagierte.
Und bewundert hatte Stuart sie, auch wenn James zufällig mit anhörte, wie sein Cousin Emma etwas später ermahnte, nicht zu viel Wert auf materielle Dinge wie Abendkleider und Spitzenfächer zu legen. Wie Emma es ertragen konnte, jedes Mal eine Predigt von Stuart zu hören, wenn sie ihn sah, war James ein Rätsel,
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