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Ein seltsamer Ort zum Sterben

Ein seltsamer Ort zum Sterben

Titel: Ein seltsamer Ort zum Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Derek B. Miller
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sehr ermutigend.»
    «War er wirklich Scharfschütze in Korea?», fragte Lars, nachdem sie kurz geschwiegen hatten.
    Rhea schüttelte den Kopf. «Ich glaube nicht. Meine Großmutter sagte mir, er hätte angefangen, das zu erzählen, nachdem mein Vater umgekommen war. Sie war der Meinung, dass es sich um eine Art Phantasievorstellung handelt.»
    «Wollte er Rache?»
    «Nein. Er gab sich immer selbst die Schuld. Da war niemand, an dem er sich hätte rächen können.»
    Dann waren sie aufs Motorrad gestiegen und losgefahren.
    Es dauerte mehr als zwei Stunden, um nach Kongsvinger und die kleine Stadt dahinter zu gelangen, draußen in den Wäldern an der schwedischen Grenze, weit außerhalb von Sheldons Horizont.

    «Alles fing an, als du zu uns gezogen bist», hatte Rheas Großmutter gesagt. «Da war bei ihm zum ersten Mal eine Schraube locker. Dann kam eine weitere hinzu, und schließlich waren sämtliche Schrauben locker. Aber er hat sich wacker gehalten.» Mabel behauptete nie, Rhea sei schuld daran, dass es schlimmer wurde. Aber sie sagte, es habe etwa um diese Zeit begonnen.
    Sie war erst zwei, damals im Juli 1976 während der Zweihundertjahrfeier, als Amerika sich selbst bejubelte. Das kleine Mädchen mit den großen, erschrockenen Augen hatte nur ein einohriges Häschen bei sich, als es den Großeltern übergeben wurde. Sie waren beinahe wie Fremde.
    Ihre Mutter? Weg. Eines Tages kam sie einfach nicht zurück. Saul war seit über einem Jahr tot. Sie trank, schrie ständig herum, und dann verschwand sie, als die Leute draußen anfingen, die Flaggen zu hissen. Es war einfach mehr, als sie ertragen konnte.
    Sheldon und Mabel hatten beide versucht, sie während der Schwangerschaft zu unterstützen. Ihre eigenen Eltern hatten sie nicht gewollt, und sie brauchte ganz klar Hilfe. Bedauerlicherweise – für sie selbst, für das Kind, für alle – ließ sie niemanden an sich heran. Sie kannten sie nicht gut genug, um zu wissen, weshalb. In ihr war eine Wut, die bereits vor Saul und ihrer misslichen Lage da gewesen war, daran hatten sie keinen Zweifel. Warum er sie anziehend fand, konnten sie nie begreifen. Gut, ganz unattraktiv war sie nicht, aber wie Mabel spekulierte, wollte Saul in erster Hinsicht verschwinden, und die einzige Möglichkeit, dies zu tun, ohne allein zu sein, bestand darin, eine Frau zu finden, die unfähig war, ihn zu verstehen.
    Doch letztlich spielte das alles keine Rolle. Das Einzige, was zählte, war das Kind.
    Rhea fragte ihren Großvater, wo ihre Mutter hingegangen sei. Da war sie schon etwas älter. Fünf. Sie waren im Laden, und sie hatte einen Messingsextanten in der Hand, den sie in einer violetten Kiste gefunden hatte. Sheldon hatte gerade intensiv an etwas Kleinem, Kompliziertem gearbeitet.
    Als sie die Frage stellte, war er eine Sekunde lang abgelenkt gewesen.
    Er legte das, was er gerade in Händen hielt, weg und sagte: «Deine Mutter. Deine Mutter, deine Mutter, deine Mutter … bekam eines Tages Flügel und wurde zur Prinzessin des Drachenvolkes.»
    Da er ja nun geantwortet hatte, setzte er die Lupe wieder auf und begann weiterzuarbeiten.
    Rhea zupfte an seiner Lederschürze.
    «Was?»
    «Können wir sie suchen gehen?»
    «Nein.»
    «Warum nicht?»
    «Bist du nicht gerne bei uns?»
    Rhea wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Sie war nicht sicher, ob es mit ihrer Frage zu tun hatte oder nicht.
    Sheldon sah zerknirscht ein, dass Rhea nicht lockerlassen würde.
    «Hast du Flügel?», fragte er.
    Rhea runzelte die Stirn und versuchte, über ihre Schulter zu gucken, schaffte es aber nicht.
    «Dreh dich um.»
    Rhea drehte sich um. Sheldon hob ihr Kleid an und legte ihre rote Unterhose und ihren bleichen Rücken bloß, dann ließ er es wieder sinken.
    «Keine Flügel. Dann wird das wohl nichts. Tut mir leid. Vielleicht irgendwann mal.»
    «Wachsen mir eines Tages Flügel?»
    «Schau, ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, weshalb manche Menschen plötzlich auf und davon sind. Aber es geschieht. Eines Tages wachsen einigen von ihnen Flügel, und weg sind sie.» Als er sah, was sie für ein Gesicht machte, fügte er hinzu: «Mach dir keine Sorgen. Mir wachsen keine Flügel. Ich bin ein flugunfähiger Vogel.»
    Ihre ersten Erinnerungen stammten aus der Zeit, als sie fünf war. 1976 , als sie einzog, lag zu weit zurück. Damals war sie zu jung. Sie konnte sich nicht an die Flaggen erinnern. An die Banner überall. Die Bands, die auf der Straße spielten. Die Reden der Politiker. Die

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