Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein seltsamer Ort zum Sterben

Ein seltsamer Ort zum Sterben

Titel: Ein seltsamer Ort zum Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Derek B. Miller
Vom Netzwerk:
weiß ich ja nicht, was du tust und was du nicht tust.»
    «Adrijana, du kennst mich.»
    Ihr Ton wird sanfter, aber nur ein wenig.
    «Und deine
Freunde
kenne ich auch. Außerdem lese ich die Zeitung. Bitte sag, dass sie nichts mit der ermordeten Frau zu tun haben. Bitte sag es!»
    Burim breitet die Hände aus, und Adrijana sackt zusammen.
    «Wir sollten zur Polizei gehen.»
    «Enver ist mein Cousin. Und ich bin sicher, sie haben es sowieso schon rausbekommen.»
    «Woher willst du das wissen? Du kannst nicht einmal Norwegisch lesen. Woher willst du wissen, was in den Zeitungen steht?»
    «Es gibt eine englischsprachige Website. Ich habe nachgesehen.»
    Adrijana schüttelt den Kopf. «Warum bist du hingegangen?»
    «Ich habe Angst, okay? Ich muss wissen, was sie wissen.»
    «Worüber?»
    «Über uns!»
    «Was ist mit uns?»
    «Du bist aus Serbien!»
    «Ich bin Norwegerin.»
    «Ach bitte. Nicht schon wieder.»
    Adrijana erhebt jetzt die Stimme, wie jedes Mal, wenn sie gezwungen ist, ihre Identität und die derjenigen zu verteidigen, mit denen sie sich identifiziert.
    «Ich bin Norwegerin. Ich habe einen norwegischen Pass. Ich lebe hier, seit ich acht Jahre alt bin. Ich habe norwegische Eltern. Ich gehe auf die Universität. Es ist die Sprache, die ich am besten beherrsche. Ich bin keine Serbin!»
    Auch Burim wird laut. Er kann einfach nicht glauben, dass sie nicht erkennt, wie unwichtig das alles ist.
    «Du bist in Serbien geboren. Du trägst einen serbischen Namen. Du bist während des Krieges hierhergekommen und adoptiert worden. Deine Muttersprache ist Serbisch. Du hast serbisches Blut.»
    «Na und?», brüllt sie zurück.
    «Es kommt nicht darauf an, für wen du dich hältst», schreit Burim. «Es kommt drauf an, für wen
sie
dich halten!»
    «Wer?»
    «Alle!»
    Auf einmal verstummen sie beide.
    Pink Martini spielen einen glühenden Song über Melancholie und Gewissensbisse, und da schauen sie einander schließlich wieder in die Augen. Und – die Ironie ist einfach überdeutlich – müssen grinsen.
    «Ich liebe dich», sagt sie.
    Und er sagt: «Ich dich auch.»
    «Du siehst das vielleicht nicht, aber ich bin wirklich Norwegerin. Ich vertraue ihnen. Wenn du das Gefühl hast, in Gefahr zu sein, weil es diesen Verrückten nicht in den Kram passt, dass wir zusammen sind, dann werde ich mich wehren. Ich sag’s der Polizei. Weil die Norweger nämlich so etwas nicht dulden. Ich kann lieben, wen ich will. Du bist ein Chaot, du rauchst und bist immer so stoffelig.»
    Burim runzelt die Stirn und sieht auf. «Aber.»
    «Was aber?»
    «Du musst alle meine schlechten Eigenschaften auflisten und dann ‹aber› sagen und alle Gründe aufzählen, weshalb du mich liebst.»
    Adrijana macht einen Schmollmund. «Das hab ich noch nie gehört.»
    Sie stellt den Tee in den Kühlschrank und heftet dann eine heruntergefallene Schwarzweißpostkarte mit einem Magneten zurück an die Tür.
    «Ich mach mir wirklich Sorgen», sagt Burim. «Kadri hat da was gesagt, das klang, als ob er über uns Bescheid wüsste. Sie versuchen, einen kleinen Jungen zu finden.»
    Er schaut sie wachsam an, während er das sagt.
    Adrijana zeigt keine Regung: «Was für einen kleinen Jungen?»
    «Der Sohn der Frau, die getötet wurde.»
    «Warum suchen sie denn nach einem kleinen Jungen?»
    «Ich habe keine Ahnung.» Er nimmt sich eine Zigarette, die Adrijana sofort schnappt, unter den laufenden Wasserhahn hält und wegwirft. «Du weißt also nichts darüber?», fragt er.
    «Wovon redest du?»
    «Bist du sicher, dass deine Eltern mit unserer Beziehung einverstanden sind?»
    «Nein. Sie glauben, ich hätte was Besseres verdient. Wie gesagt, du bist ein Chaot, du rauchst, deine Freunde sind scheiße, du brauchst einen besseren Job, und ich fänd’s gut, wenn du auf die Uni gingst. Aber es ist ihnen egal, dass du aus dem Kosovo kommst, falls du das meinst.»
    «Was ist damit, dass ich Moslem bin?»
    «Du bist kein besonders guter Moslem.»
    «Das meine ich nicht.»
    «Das ist ihnen schnurz.»
    «Weshalb?»
    «Weil es ihnen nicht darauf ankommt, was du bist, Burim. Es kommt ihnen darauf an, wer du bist. Wenn du dich wie ein Arschloch aufführst, werden sie dich hassen. Wenn du dich wie ein Arschloch aufführst, weil du ein Moslem bist … na ja … deine Sache. Was ist jetzt mit dem kleinen Jungen?»
    «Kann ich dir vertrauen?»
    «Vertrauen? Was kommt denn jetzt?»

    Sigrid erhält einen Anruf von der Reparaturwerkstatt, dass die Ersatzteile, die per Post

Weitere Kostenlose Bücher