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Ein seltsamer Ort zum Sterben

Ein seltsamer Ort zum Sterben

Titel: Ein seltsamer Ort zum Sterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Derek B. Miller
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angefordert wurden, leider nicht heil angekommen sind und sie den Wagen daher erst in drei Tagen abholen kann. Ob sie wohl einen Leihwagen braucht? Dann ruft der Boss zum zweiten Mal an und fragt, ob er ihr irgendwie helfen kann. Zu diesem Zeitpunkt ist die morgendliche Energie endgültig verpufft. Sigrid hat die Schnauze voll und verkündet, vielleicht ein wenig zu laut, dass sie mal rausgehen und den Tatort – wo das Telefon nicht klingeln kann – inspizieren wird.
    Irgendwas, Hauptsache, sie bekommt bessere Laune.
    Sie verlässt das Gebäude durch die Vordertür und geht rechts ums Haus herum, bis sie zu dem Parkplatz hinter einem mit einer Kette verriegelten Zaun kommt. Drei Streifenwagen stehen da – ein Volvo S 60 , ein Saab 95 , ein Passat – und eine BMW -Polizeimaschine. Eine seltsame Flotte …
    Sigrid atmet tief die Vormittagsluft ein und spitzt die Ohren: kein Telefonklingeln, keine nervenden Vorgesetzten, keine aus einem dürren Haufen Fakten abgeleiteten Theorien, keine Journalisten, die fragen, wann die Polizei den Fall gelöst haben wird.
    Gestern ist sie das tatsächlich gefragt worden, die Reporterin wollte ein Interview über Skype führen. Anscheinend genügt ein normales Telefongespräch nicht mehr.
    Die Journalistin klang jung und austauschbar.
    «Wenn wir die Ermittlungen abgeschlossen haben», hatte sie der liberal gesinnten jungen Dame vom
Dagbladet
so freundlich wie möglich gesagt.
    «Und wann wird das sein?»
    «Wenn der Fall gelöst ist.»
    «Aber da beißt sich die Katze in den Schwanz. Sie gehen der Frage aus dem Weg», wagte der Grünschnabel tatsächlich zu sagen.
    Manchmal war es hart, den Chef zu spielen. Nicht so sehr wegen der Regeln – zum Beispiel dass man Journalistinnen nicht bei den Ohren packen und wie unartige Kinder aus dem Haus zerren soll –, sondern eher weil man ein Vorbild für die anderen Beamten sein musste.
    Mehr um sich selbst zu beruhigen, als etwas Brauchbares zu liefern, stellte Sigrid eine Rätselfrage, die sie als kleines Mädchen gehört hatte.
    «Warum ist etwas, das du suchst, immer dort, wo du zuletzt nachsiehst?»
    Dem Mädchen, Petter und den drei anderen Beamten, die nur so taten, als hörten sie nicht zu, war klar, dass sie sich sehr arrogant verhielt. Aber was blieb ihr anderes übrig? Sollte sie die Frage unbeantwortet lassen? Sigrid war nun mal der Boss.
    «Ich weiß es nicht. Warum?»
    «Weil du aufhörst zu suchen, sobald du es gefunden hast.»
    Und dann – das Mädchen hatte schließlich auf Webcam bestanden, um einen
direkten Draht zu ihr
zu kriegen – zwinkerte Sigrid ihr zu.
    Oh, wie gern sie sich jetzt ein Dienstmotorrad schnappen würde! Sie würde einen weißen Helm aufsetzen. Das Visier aufklappen. Den Duft von sommerlichen Kiefern und gemähtem Gras einatmen. Die großartige Einsamkeit spüren, den vorübergehenden Schritt in die Zeitlosigkeit tun.
    Vielleicht sollte sie den Motorradführerschein machen. Reiten lernen. Ein neues Hobby suchen und sich allmählich mit der Tatsache abfinden, dass sie wohl nie einen Mann kennenlernen und bestimmt keine Familie gründen würde.
    Die nötige Reife aufbringen und dem Leben, das sie nun einmal führt, ins Auge sehen.
    Sie steigt in den Volvo. Er ist bequem und hat Ledersitze. Sie kurbelt das Fenster hoch und schaltet die Klimaanlage ein, dann fädelt sie sich in den für die Stadtmitte ungewöhnlich dichten Verkehr ein. Im Radio knistern ab und an die Nachrichten, doch ansonsten ist der Tag ruhig und schön. Immer noch kein Anzeichen von Regen – keine Wolken zwischen dem Volvo und der Ewigkeit. Sigrid wechselt den Sender und dreht das Radio lauter, um etwas Gesellschaft zu haben, während sie darauf wartet, dass der Verkehr sich lichtet.
    Gerade läuft eine Sendung namens
Doktor
, in der Leute anrufen und Fragen zu ihrer Gesundheit stellen können. Es ist ein landesweites Programm, und es entführt Sigrid in die Welt außerhalb Oslos, zurück auf den Bauernhof. Sie lässt ihren Gedanken freien Lauf.
    Ein Mann mit einem schrecklichen Husten ist am Telefon. Er ruft aus einem Dorf irgendwo in der Einöde an. Er ist allein und hat keine Familie. Er lebt mit drei Katzen zusammen, die er sehr liebt. Es sind seine einzigen Freunde. Er könne sich das Rauchen nicht abgewöhnen, erzählt er dem Arzt. Er wisse aber, dass das nötig sei. Seine Gesundheit verschlechtert sich, aber er hat einfach nicht die Energie. Seit kurzem hustet nun auch eine seiner Katzen. Er glaubt, es ist seine Schuld.

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