Ein silbernes Hufeisen
jeden Tag einen anderen teuren Anzug. Er sah sehr gut aus und er hat ihre Hand halten dürfen und ihr alberne Namen gegeben. Sie war eindeutig verliebt in ihn.“
Voller Wut stieß Tony Marion so heftig gegen den Baumstamm, dass über ihren Köpfen die Zweige und Äste aufgebracht raschelten. Wenn dies eine Lüge war, dann war sie bemerkenswert präzise, musste er wohl einräumen. Ob Guinievaire Marion von ihren Freunden in London erzählt hatte und wusste er daher von der Existenz ihres grauenhaften besten Freundes? Denn es konnte wohl keinerlei Zweifel an der Tatsache bestehen, dass der Gärtner soeben von seiner Lordschaft Alexander Lovett gesprochen hatte. Zunächst war Tonys Hirn wie paralysiert. Dann dachte er gegen seinen Willen doch weiter über diese Möglichkeit nach: wie wahrscheinlich war sie? Alexander hatte sich von Cecilia scheiden lassen wollen, als Tony das letzte Mal in der Stadt gewesen war, und scheinbar war ihm dieses Unterfangen nun auch gelungen, woraufhin er zu Mr Hastings gefahren war, um sich seinen Segen zu erbeten. Auch dass der alte, schreckliche Mann ihm diesen erteilt hatte, war nicht sonderlich abwegig, Alexander durfte den Herren immerhin mit Vornamen anreden und die beiden schienen sich schon lange gut zu kennen. Aber, und hier gab es wieder ein Problem mit Marions Geschichte, warum sollte Alexander Lovett seine beste Freundin heiraten wollen? Guinievaire hatte stets betont, er sei ihr wie ein Bruder und nicht mehr als ein Freund, dies hatte sie schon am Abend ihres ersten Kusses zu Tony gesagt. Sie war also eindeutig nicht verliebt in Alexander oder aber er verstand nichts mehr. Verzweifelt ließ er den Kragen seines verhassten Gegenübers los und fing an, unschlüssig auf und ab zu gehen. Marion nutzte derweil diese Gelegenheit, um seine schreckliche Lüge weiter auszuschmücken. „Sie hat einen Ring von ihm bekommen. Er war ein Lord, glaube ich. Abigail war entzückt von ihm, alle hier waren es. Sie sind zusammen abgereist, aber ich weiß nicht, wohin. Weit weg, denke ich. Sie hatten viel Gepäck bei sich.“
Tony hörte ihm kaum zu, denn während Marion sprach und Tony auf den Rasen starrte, bemühte er sich um andere, wahrscheinlichere Antworten auf die Frage, wohin Guinievaire verschwunden war. Sie war bei ihren Vater, der Gnade hatte walten lassen und sie zurück nach London geholt hatte. Oder aber sie war mit Marions Hilfe geflohen und war nun auf der Suche nach ihrem Verlobten. Nein, dies war natürlich Unsinn, aber an diesem Ort und vor allem bei diesem Menschen würde Tony heute keine Antworten mehr finden, daher seufzte er, nachdem er dies akzeptiert hatte, lediglich etwas erschöpft. Und dann hob er den überaus heftig schmerzenden Kopf, so dass er feststellen konnte, dass Marion die Arme verschränkt hatte, während er ihn mit einem beinahe neugierigen Blick beobachtete, einzig gekommen nicht etwa um zu helfen sondern um sich an seinem Elend zu erfreuen. Warum bloß hatte er dies alles getan? Das war die letzte, traurige Frage, die Tony noch auf der Zunge lag.
„Warum hast du das getan?“ wiederholte er sie also noch einmal laut, wobei es nun gänzlich von Marions Antwort abhing, ob er am Ende doch zuschlagen würde oder nicht. Tony wollte es, er betrachtete den kräftigen, blonden Kiefer des Gärtners und er wollte ihn zertrümmern. Nur einen einzigen Schlag würde er dafür brauchen.
Etwas ratlos zuckte Marion auf seine wichtige, brennende Frage hin die Schultern. „Ich weiß es nicht, denke ich,“ erwiderte er mit einer unverbindlichen Stimme. „Ich kann dich nicht besonders gut leiden.“
Tonys Augenlider zuckten, seine Finger zitterten und seine Zähne klopften aufeinander. Und dennoch, er war es nicht wert, sagte er sich im gleichen Augenblick, denn Tony wollte nur noch eines und davon würde ihn ein Schlagabtausch mit diesem wertlosen, abgrundtief schlechten Stück Dreck nur abhalten – er wollte nachdenken und zu seiner eigenen, großen Überraschung, verspürte er auch das dringende Bedürfnis, sich zu betrinken. Ohne den Gärtner noch einmal anzusehen, kehrte er ihm also den müden Rücken zu und stapfte davon, um vor den hölzernen Toren, durch die er so hoffnungsvoll gekommen war, sein Pferd zu besteigen. Fassungslos und kraftlos ritt Tony dann umgehend zu dem schmutzigen Pub im Dorf, wo er Bier bestellte und dann auch Bourbon, der ihm nicht sonderlich schmeckte. Dennoch, während er viele, viele Gläser trank, dachte er endlich in Frieden nach
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