Ein silbernes Hufeisen
Reisen kannte und es hatte funktioniert. Heute jedoch war sie wieder Guinievaire Hastings gewesen und dies spürte sie nun auch mehr als deutlich in all ihren Knochen, unter ihrer Haut und in ihrem Brustkorb.
„Dies war ein absolut perfekter Tag, nicht wahr?“ meinte Alexander derweil ruhig, um ihre panisch vernünftigen Mahnungen an sich zu unterbrechen. „Er war ebenso wie früher.“
Wie recht er doch unglücklicherweise hatte, dachte Guinievaire und dabei erschien ein winziges, wehmütiges Lächeln unweigerlich auf ihrem Gesicht. Eine Zeit lang hatte es früher einzig solche Tage für sie beide gegeben bis alles schwierig geworden war, und eine Zeit lang hatte Alex auch ausgerechnet sie, die vom Elend geplagte Guinievaire Hastings, zum glücklichsten Mädchen der Welt gemacht. Obwohl sie sich noch mehr als genau an diese Tage erinnerte, wusste sie dennoch, es war zugleich keine sonderlich gute Idee, über sie zu sprechen, wo sie sich doch schon die Gedanken daran verboten hatte auf ihrer gemeinsamen Reise. Was, würden sie damit endlich beginnen, über all jene Vorfälle zu reden, die sie seit dem letzten September bereits penibel vermieden, was würde sie dann tun? Guinievaire fürchtete sich selbst vor den eigenen Reaktionen, also musste sie wohl einsehen, dass es für sie beide, die sich mit ihrem neuen Status als Freunde im Grunde recht leicht taten, das Beste wäre, ginge sie ganz einfach in ihr Bett, welches sich den Gang hinunter in ihrem eigenen Zimmer befand. Dennoch, sie mochte ihn nicht alleine lassen in diesem herrlichen Moment, wo sie sich gegen ihren entschiedenen Willen sentimental fühlte, während sie weiter stumm auf die silbernen Dächer hinab sah. Guinievaire wollte bei Alex bleiben, egal was die Vernunft ihr eingab.
„Es ist schwierig, dies alles zu vergessen,“ murmelte sie schließlich traurig, um ihm zumindest deutlich zu machen, dass dies ihre Absicht war, um mit Tony glücklich werden zu können. Wie sollte sie sich tatsächlich an seiner Seite zurecht finden, wenn sie ständig daran denken musste, dass sie die glücklichsten Stunden ihres kurzen Lebens immer gemeinsam mit einem anderen Mann verbracht hatte? Erschöpft von all den komplizierten Überlegungen stellte Guinievaire ihren Champagner beiseite, dann wagte sie es endlich wieder, ihren Alex anzusehen, der jedoch etwas beleidigt aussah und sogar etwas wütend.
„Warum solltest du es vergessen wollen?“ fragte er sie kühl. „Welche Erinnerung würdest du missen wollen? Wir sind immer glücklich gewesen, das weißt du. Du hast es mir ständig gesagt, Guinievaire, was also würdest du missen wollen?“
Während Alexander sprach, stellte er ebenfalls sein Glas beiseite und beugte dabei seinen schönen Kopf etwas hinunter zu ihr. Zugleich dachte sie wirklich kurz über seine Frage nach und dann musste sie sogar ein wenig lächeln. „Den Neujahrstag würde ich gerne vergessen, Neujahr vor zwei Jahren war es,“ antwortete sie leise, wobei sie nicht bemerkte, dass sie in Alex‘ Falle getappt war, denn nun sprachen sie doch über all die Dinge, die sie über eine Freundschaft hinaus verbanden. „Wie du auf meiner Bettkante gesessen und mich mitleidig angesehen hast! Was für eine Qual es war und wie sehr ich wollte, dass du verschwindest.“
Alex musste ob dieser alten Erinnerung ebenfalls lachen, schüttelte zugleich aber auch seinen Kopf. „Nun, ich wollte aber nicht gehen, ich wollte meinen Triumph ein wenig genießen,“ seufzte er. „Außerdem war ich sehr stolz auf mich, denn das erste Mal in meinem Leben habe ich mich damals ritterlich verhalten, Guinievaire. Nur du hast mich jemals dazu treiben können.“
Eindringlich sah er sie an, wobei Guinievaire sich fragte, ob sie sich einer Illusion hingab ihre gemeinsame Beziehung betreffend. Womöglich konnte es ihr niemals tatsächlich gelingen, Distanz zu Alex aufzubauen, um eine vernünftige Freundschaft mit ihm zu knüpfen, denn wann hatte es jemals Distanz zwischen ihnen gegeben und wann hatte sie sich jemals Grenzen gesetzt? Es war ihnen unmöglich, die Regeln einzuhalten und voneinander Abstand zu gewinnen, denn ebenso sehr würde es immer vollkommen unmöglich sein, zu vergessen. Was geschehen war, war geschehen, dies war unleugbar. Es musste also ein anderer Weg gefunden werden, aber alle Optionen, die sich Guinievaire anboten in diesem kurzen Moment, sie gefielen ihr ganz und gar nicht.
„Alex, es wird nicht mehr werden wie früher, das weißt du, nicht
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