Ein silbernes Hufeisen
weitaus wichtigere zu stellen:
„Wo ist sie?“ keuchte er, dabei hob und senkte seine fassungslose Brust sich schnell. So sehr hatte er sich auf ihren herrlichen Anblick vorbereitet gehabt. Sollte er sie heute wieder nicht sehen dürfen, dann würde er ganz einfach den Verstand verlieren.
Marion, dem Tonys schlimme Leiden wohl gleichgültig waren, ließ sich derweil viel Zeit mit der Antwort, denn es war leicht zu erkennen, dass er diesen enthüllenden Augenblick ausgesprochen genoss. Warum sonst hatte er neben dem Stamm auf Tony gewartet? Er wollte seinen Triumph auskosten, und wieder wollte Tony nur zu gerne wissen, warum er dies alles getan hatte. Warum wollte er ihn quälen?
„Sie ist heute morgen abgereist,“ erwiderte der Gärtner schließlich, dabei zuckte kein Muskel in seinem gebräunten Gesicht, zu seinem Glück, denn würde er lächeln, dann würde Tony ihm Schmerzen zufügen, dachte er und besann sich doch wieder, denn dies war kaum seine erste Priorität. Heute morgen erst hatte sie diesen Ort verlassen, das war die wichtige Information, also konnte er sie noch einholen, wenn er sich beeilte und natürlich, wenn er wusste, was ihr Ziel war. Wie bloß hatte sie ihre Zelle verlassen können, wo Tony doch den Schlüssel hatte? Wer hatte sie befreit und warum und wo war sie nun und bei wem war sie in diesem Augenblick?
„Wohin ist sie gefahren?“ fragte er weiter atemlos, eine seiner tausend Fragen ausspuckend, während das eilige Denken ihn unheimlich anstrengte. Dennoch, er wurde zugleich wütender und wütender, sah er auf seinen ehemaligen Partner herab und seine Fäuste ballten sich dabei beinahe wie von selbst.
„Das weiß ich nicht,“ antwortete Marion scheinbar vollkommen unschuldig.
„Aber sie wusste doch, dass ich komme!“ rief er und im gleichen Moment wurde ihm auch schon klar, dass sie dies vermutlich nicht getan hatte und dass eben daraus diese grausige Situation und Folter entstanden war. „Du hast es ihr nicht gesagt,“ stieß er hervor, während Marion die Augenbrauen hob.
„Nein,“ räumte er ein. „Ihr Interesse an dir hat immer mehr abgenommen, weißt du? Und als sie sich letzte Woche dann verlobt hat, da habe ich beschlossen, dass es wohl ohnehin zu spät für euch ist.“
Nun rauschte es zwischen Tonys Ohren nach dieser Mitteilung und er konnte ihm nicht glauben. Er musste einfach wieder lügen, denn Guinievaire konnte nicht verlobt sein, wo sie doch bereits verlobt war mit ihm und sie liebte ihn und sie hatte deswegen keinerlei Grund, sich einem anderen Mann zuzuwenden. Wieso sollte ein Mann hierher gekommen sein, um Guinievaire Hastings einen Heiratsantrag zu machen und wieso sollte sie ihn dann sogar angenommen haben? Heute waren sie angeblich zusammen abgereist, aber wohin sollten sie gefahren sein, etwa nach London, um die gemeinsame Hochzeit zu planen? Vermutlich waren Marion all diese feinen Einzelheiten tatsächlich nicht bekannt, aber er musste doch sehr wohl wissen, wer der unbekannte Mann gewesen war, schloss Tony, der keine einzige Frage mehr ertragen konnte. Nur Antworten wollte er in diesem Augenblick noch hören, also griff er schnell und mit zitternden Fingern nach Marions nassem, gelblichen Kragen und mit einem heftigen, kräftigen Ruck zog er den großen Gärtner nach oben, der von der Handgreiflichkeit und den starken Händen seine Gegenübers augenscheinlich überrascht worden war. Mit weiten, zornigen Augen sah er Tony an, der ihn gegen den Stamm drückte, machte aber keine Anstalten, sich zu wehren. Was glaubte er, wer er war? Tony hatte schon hunderte von Pferden zugeritten, er mochte klein sein und er wandte nicht gerne Gewalt an, aber er war kein Schwächling.
„Sie hat sich verlobt?“ zischte er. „Mit wem?“
Wer sollte denn derart einfach hier in ihrem geheimen Versteck aufgetaucht sein, um sich mit Guinievaire zu verloben? Es konnte nur jemand gewesen sein, der die Erlaubnis ihres Vaters eingeholt hatte und niemanden, der die Erlaubnis ihres Vaters hatte, würde Guinievaire heiraten wollen. Allein Marion hatte sich diese Lüge ausgedacht, damit Tony seine Verlobte ganz einfach aufgab, aber er hatte sie nicht sonderlich weit durchdacht: schon diese kleine Frage würde sein Lügengebilde zum Einsturz bringen.
„Sie schien ihn bereits zu kennen,“ spuckte der Gärtner derweil bemerkenswert schnell zurück, wo er doch eigentlich keine Antwort haben sollte. „Er war groß, viel größer als du. Und er hatte dunkle Haare und trug
Weitere Kostenlose Bücher